Welche Bereiche werden im Storytelling immer wichtiger? Das habe ich im letzten Jahr beobachtet. Es sind nicht Marketing, Branding oder PR. In diesen Bereichen ist Storytelling mittlerweile erfolgreich angekommen. Hier gilt: „Stories have become one of the greatest currencies of business.“

Jetzt braucht die Datenwelt dringend Erzähltechniken, damit im Management bestmögliche Entscheidungen getroffen werden. Großer Story-Bedarf ist auch in der Welt der Technik. Freunde und Bekannte sagen zu mir: „Bitcoin, damit würde ich mich auch gern beschäftigen, aber ich verstehe nicht, wie Bitcoin funktioniert. Die Technologie dahinter, Blockchain, ist mir vollkommen rätselhaft.“ Ich bin sicher, dass die Unternehmen, die einfache Erzählungen für ihre komplexen Technologien finden, gewinnen werden.

Der dritte Trend, den ich vor allem in Workshops beobachte: den roten Faden in der eigenen Geschichte erzählerisch entdecken. Wer das tut, lotet Grenzen aus. Seine eigenen und die der Welt. Und wer Grenzen auslotet, hat sie eigentlich schon überschreiten. Darin liegt die Magie des eigenen Lebens als Story, als Reise, auf der ich eine Mission erfülle, anstatt als Ansammlung von Lebensstationen in einem CV.

Hier kommen meine Storytelling Trends 2018

Trend Nr. 1: Tech Storytelling

Wer kann Bitcoin erklären, wer Blockchain, die Technologie hinter der Digitalwährung. Wer bringt die neuesten Entwicklungen in der Genetik so auf den Punkt, dass sie uns berühren und nicht nur erschrecken? Und wer verpackt die Entwicklung künstlicher Intelligenz in realistische Detektivgeschichten, die wir hören wollen?

Eine Google-Suche reicht schon aus, um herauszufinden, dass es die Professoren und Gelehrten meist nicht sind. Firmen, die sich diesen Themen widmen, sind es ebenso wenig. Schade, denn die oben genannten Themen prägen unsere Welt schon heute – in ein oder zwei Jahrzehnten werden sie ihr Gesicht vollkommen verändert haben.

Storytelling kann helfen Technologie mit unserer Erlebniswelt zu verbinden. Sie anschaulich zu machen, verständlich. Nicht im Terminator Style. Ganz normal, mit wahren Geschichten. Im Business Storytelling ist dieses Thema kaum angekommen. Hier ein Beispiel für eine Ausnahme.

Beispiel: Die Hongkonger Firma Hanson Robotics hat den klügsten Weg gewählt – es inspiriert Menschen, selbst Geschichten zu erzählen. Dazu haben sie Sophia entwickelt, einen Roboter, der für Konversation ausgelegt ist. Die Maschine sieht aus wie eine futuristische Version der Schauspielerin Audrey Hepburn, sie tingelt durch Talkshows, etwa zu Jimi Fallons Tonight Show, erzählt Witze, spielt Spiele und weckt so das Interesse an der Technologie dahinter. Sophia ist die Story. Die Message: Roboter können auch nett, einfühlsam und amüsant sein. Menschlich eben.

Trend Nr. 2: You Storytelling

Wer bin ich? Derjenige, der mich am Morgen beim Zähneputzen im Spiegel begrüßt, die Summe meiner Likes oder das Wesen, für den Google, Facebook und Amazon mich halten, wenn sie mir Links, Freunde oder Schuhe empfehlen? Das Ich löst sich auf. Storytelling fügt es wieder zusammen.

Mit Geschichten, die auch unsere Verletzlichkeit zeigen, anstatt sie zu verstecken. Die sich die Zeit nehmen, den roten Faden in unserem Leben zu zeigen, inklusive Ups and Downs. Zum Beispiel der Einstieg in eine Lebensgeschichte. Anstatt „Ich bin am 12.3.1980 in Bremen geboren“ vielleicht so: „Ich habe in meinem Leben schon immer gern Neuland betreten“. Oder so: „Ich will Spaß auf meiner Lebensreise haben, Fehler machen und aus ihnen lernen.“ So entfaltet sich eine ganz andere Story. Zuhörer sind von Anfang an neugierig. Siehe dazu auch das Interview mit Professor Witzer.

Wer will die glattgebügelten Lebensläufe noch hören, die Einheitslügen, die Erfolgsgeschichten, in denen es von A bis Z bestens läuft? Immer mehr Leute verstehen, dass die Heldenreise oder die Story-Skizzen des Autors Kurt Vonnegut großartige Vorlagen für eine Vita sein können. Die eigene, die einer Firma, einer Marke, eines Produkts. Im Kern geht es immer darum, die Zuhörer auf eine Reise mitzunehmen.

Beispiel: Die meisten TED Talks, ob alt oder neu, enthalten immer auch eine bewegende Erzählung über den Erzähler. Motto: Ich bin das, was ich mit Leidenschaft erfolgreich mache. Einer meiner Favoriten ist der Klassiker von Brene Brown über Verletzlichkeit. Ebenfalls großartig und zum gleichen Thema ist der Talk von Monica Lewinsky.

Trend Nr. 3: Data Storytelling

Bei Big Data frösteln Kunden. Wer will schon transparent sein, so transparent, dass die Maschinen einen am Ende besser kennen, als man sich selbst? Für Unternehmen gilt Big Data als das Gold des digitalen Zeitalters. Fein, solange die Daten und die darin verborgenen Muster zu Erkenntnissen und Entscheidungen führen, die Mehrwert stiften. Genau das wird immer schwieriger. Zwischen Daten-Analysten und Entscheidern klaffen gewaltige Lücken.

Storytelling schließt diese Lücken viel effizienter als bunte Charts, weil es konkret ist und die Vorstellungskraft stimuliert. Weil es Szenarien entwirft. So übersetzt es die Ergebnisse von Hochleistungsrechnern in die reale Welt.

Frank Pörschmann, Vize-Präsident des Digital Analytics Associations e.V., Deutschlands größtem Fachverband für Datenexperten, sagt im Interview mit mir: „Untersuchungen der Entscheidungswissenschaften zeigen, dass die Qualität einer Entscheidung viel weniger von den Erfahrungen eines Managers abhängen als bisher angenommen. Die Güte einer Entscheidung hängt vorrangig von der verfügbaren Wissens-& Informationsbasis ab sowie der Fähigkeit, mögliche Folgen abzuschätzen. Das verändert die Rolle des Entscheiders und gibt einem Datenexperten die Berechtigung, als zusätzliche Informationsquelle zum Entscheidungsteam zu gehören. Da aber nur wenige die Sprache der Datenwelt beherrschen, muss Sie übersetzt werden. Nicht in Zahlen, Fakten und Wahrscheinlichkeiten, sondern idealer Weise in gute Geschichten. Hier helfen viele der Instrumente des Storytellings – Erzählstrukturen, Dramaturgien, Kenntnisse über die Zuhörer, Kennzeichnung von Protagonist und Antagonist usw.“

Beispiel: Ein etwas anderes Beispiel für Data Storytelling ist der Bestseller Homo Deus. Eine Geschichte von morgen des Historikers Yuval Noah Harari. Das Buch zeigt beide Seiten der Datenvermittlung, die trockene und rätselhafte sowie die konkrete, lebendige, in Geschichten verpackte. Der Autor schreibt eher langweilig, doch wenn er seine Thesen und Fakten mit Storys verbindet, wird es spannend. Genau diese Storys bleiben bleiben im Gedächtnis und wirken nach. Mein absoluter Geheimtipp aber ist der New Yorker Professor Scott Galloway, ein begnadeter Datenerzähler.