Die Heldenreise von Greta Thunberg ist eine der großen Geschichten unserer Zeit. Die zierliche schwedische Schülerin, die im August 2018 mit Schulstreiks für das Klima beginnt. Allein. Ein gutes Jahr später hat sie weltweit Millionen Menschen für das Thema Umwelt sensibilisiert. Und das ist erst der Anfang.

Die Heldenreise ist eins der wichtigsten Tools im Storytelling. Sie ist eine universelle Erzählstruktur, die Filmen, Mythen, Märchen, aber ebenso Storys im Business oder Biographien zugrunde liegt. Sie taugt auch als dramaturgisches Raster für die eigene Lebensgeschichte, wie das Beispiel Greta Thunberg zeigt.

Ein Mädchen tut alles dafür, die Klimakatastrophe abzuwenden

Sie lässt sich flexibel verwenden. Wir können heute die Heldenreise von Greta Thunberg erzählen. Und wir können es in zehn Jahren wieder tun. Wir können die Reise äußerlich erzählen oder als innere Reise. Oder beides mischen, wie ich es getan habe. Die Reise wird anders aussehen, aber im Kern wird es um das gleiche gehen: Wie ein Mädchen / eine junge Frau alles dafür tut, die Klimakatastrophe abzuwenden.

Heldenreise von Greta Thunberg

 

Entdeckt wird die Heldenreise von dem US-Mythenforscher Joseph Campbell. Er beschreibt sie in seinem Buch Der Heros in 1000 Gestalten, das 1949 erscheint. Nachdem Campbell Tausende Mythen und Märchen analysiert hat, kommt er zu folgendem Schluss: Mehr oder weniger alle Storys haben das gleiche Gerüst.

Die Heldenreise mit ihren 12 Stationen erscheint auf den ersten Blick komplex. Etwas für Erzählprofis. Das ist sie aber nicht. Sie lässt sich psychologisch oder erzähltheoretisch erklären. Am einfachsten aber ist der Zugang anhand von Beispielen.

Die Geschichte unseres Lebens so erzählen, dass sie emotional bewegt

Die Heldenreise von Greta Thunberg eignet sich perfekt als Beispiel. Auch wenn ihre Reise noch lange nicht am Ende ist. Doch es ist möglich, der Geschichte ein vorläufiges Ende zu geben, das natürlich den Anfang einer neuen Heldenreise in sich trägt, die vielleicht die bisherige Reise zu einem Unterkapitel macht.

Genauso ist es bei uns allen. Wenn wir warten, bis unsere Geschichte am Ende ist, ist es zu spät. Wir können die Geschichte unseres Lebens zu jeden Zeitpunkt erzählen. Und zwar so, dass sie emotional bewegt und nicht langweilt wie ein dröger Lebenslauf.

So sieht die bisherige Heldenreise von Greta Thunberg aus (bis Ende 2019). Ich stütze mich dabei auf diverse Quellen, die beiden zentralen Quellen sind Wikipedia und Time Magazine, das Greta zur Person of the Year 2019 ernannt hat.

Die Heldenreise von Greta Thunberg

Erster Akt: Schülerin

1. Etappe der Heldenreise von Greta Thunberg: Schülerin
Greta Thunberg (geboren 2003) wächst in Stockholm auf. Sie ist die ältere von zwei Töchtern einer schwedischen Opernsängerin und eines Schauspielers.

2. Etappe der Heldenreise von Greta Thunberg: Das Video
Im Alter von elf Jahren sieht Greta in der Schule ein Video zum Thema Klimawandel und dessen Auswirkungen: hungernde Eisbären, Dürre, Überflutungen. Sie ist geschockt.

3. Etappe der Heldenreise von Greta Thunberg: Depression
Greta verfällt in eine Depression. Sie ist unfähig, etwas zu tun. Monatelang spricht sie nicht, isst kaum. Ihr Vater erinnert diese Zeit als „period of endlos sadness“.

4. Etappe der Heldenreise von Greta Thunberg: Asperger
Um Greta zu helfen, beschließt ihre Familie, ihr Leben zu ändern. Sie verzichten auf Fleisch, installieren Solarpanels, züchten Gemüse und geben schließlich auch das Fliegen auf. Greta geht es wieder besser. Dann wird bei ihr das Asperger Syndrom diagnostiziert. Sie sagt: „I see the world in black and white, and I don’t like compromising.“ Sie ist besessen von dem Thema Klimakrise.

5. Etappe der Heldenreise von Greta Thunberg: Streik
20. August 2018. Greta beginnt zu streiken, um Druck auf die schwedische Regierung auszuüben, die Klimaziele des Übereinkommens von Paris zu erreichen. Sie setzt sich mit einem selbstgebastelten Schulstreik-Schild vor das schwedische Parlament. Sie ist 15 Jahre alt und wieder zurück im Leben. Greta sagt: „I don’t have time to be depressed anymore.“

Zweiter Akt: Aktivistin

6. Etappe der Heldenreise von Greta Thunberg: Aktivistin
Am zweiten Streiktag setzt sich ein Fremder zu ihr, ein paar Tage später sind sie schon eine kleine Gruppe, bald sind es Hunderte, Tausende. Medien berichten über sie. Mit den Verbündeten kommen die Gegner, mit der Zustimmung wächst auch die Ablehnung. Greta ist von Anfang an umstritten.

7. Etappe der Heldenreise von Greta Thunberg: fridays for future
Anfang September 2018 erklärt Greta, dass sie von nun an jeden Freitag streiken wird, bis die schwedische Regierung sich dazu verpflichtet, die Klimaziele des Übereinkommens von Paris zu erreichen. Die Bewegung fridays for future ist geboren. Schüler folgen weltweit Gretas Beispiel und streiken freitags für das Klima. 10.000 im November 2018 in Australien. 35.000 im Januar 2019 in Brüssel. Auch in Deutschland streiken Schüler.

8. Etappe der Heldenreise von Greta Thunberg: Von der Schülerin zum Idol
Greta wird zum Idol für den Kampf gegen die Klimakrise. Sie spricht auf der Klimakonferenz in Katovice, dem Weltwirtschaftsforums in Davos und vor dem EU-Parlament in Brüssel. Sie sagt: „I want you to panic!“ (Hier findet sich meine Analyse dieser Rede) All die hasserfüllten Kommentare im Internet, die Gegenstimmen und die guten und bösen Ratschläge lassen sie kühl. Sie sagt: „That shows we are actually making a difference and they see us as a threat.“ Sie ist stärker als je zuvor.

9. Etappe der Heldenreise von Greta Thunberg: Amerika
Greta lehnt Flugreisen rigoros ab. Am 14. August 2019 bricht sie mit einer Segelyacht auf, den Atlantik zu überqueren, um eine Rede auf dem UN-Klimagipfel zu halten. Trump wird zu Gretas mächtigstem Gegner. Sie schlägt seinen Sarkasmus auf Twitter mit Humor. Sie trifft Barack Obama und Al Gore. Friedensnobelpreisträger und Umweltpolitiker Gore sagt: „This Moment does feel different.“

Dritter Akt: Symbol

10. Etappe der Heldenreise von Greta Thunberg: Madrid
Im November segelt Greta drei Wochen lang unter rauen Bedingungen zurück über den Atlantik, um im Dezember 2019 auf der UN-Klimakonferenz in Madrid zu sprechen. Sie sagt: „I’m not travelling like this because I want everyone to do so. I’m doing this to send a message that it is impossible to live sustainably today, and that needs to change.“

11. Etappe der Heldenreise von Greta Thunberg: Symbol einer globalen Rebellion
Greta kehrt zurück nach Schweden. Sie hat Europa als Klimaaktivistin verlassen, nach ihrer Rückkehr ist sie die Stimme von Millionen, Symbol einer globalen Rebellion. Vor 16 Monaten hat sie ihren blauen Hoody angezogen und sich mit ihrem Schild vor das schwedische Parlament gesetzt und gestreikt. Niemand kannte sie. Jetzt kennt sie jeder. Menschen rund um den Globus folgen ihrem Beispiel. Sie selbst sucht die Ruhe im Kreis der Familie.

12. Etappe der Heldenreise von Greta Thunberg: Greta-Effekt
Während Greta in der Weihnachtszeit in Stockholm neue Pläne schmiedet und sich dem Thema Flugscham zuwendet, spricht die Welt vom Greta-Effekt.

Erst im negativen Sinne. Etwa so: Und, wozu die Hysterie? Was kommt dabei raus? Was ist wirklich passiert, außer dass wir jetzt mit noch schlechterem Gewissen SUV fahren und in den Urlaub fliegen?

Doch es finden sich immer mehr positive Stimmen. Greta ist keine Zauberin. Sie hat das Thema Klimakrise in unseren Köpfen und Herzen verankert. Taten werden folgen. Es ist ein Langstreckenlauf.

Der französische Präsident Emmanuel Macron sagt in Time Magazin: „When you are a leader and every week you have young people demonstrating with such a Message, you cannot remain neutral. They helped me change.“

Manchmal ist der beste Weg, sich zu verändern, die Welt durch die Augen eines Kindes zu sehen.

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