Nelson Mandela hält seine Antrittsrede als Staatspräsident der Republik Südafrika am 10. Mai 1994 in Pretoria. Wenige Jahre zuvor noch bezeichneten ihn US-Präsident Ronald Reagan oder die englische Premierministerin Margaret Thatcher als „Terroristen“. Jetzt ist er ein Held, einer, den das Apartheid-Regime nicht beugen konnte.

Mandela hat sein Leben lang für das Ideal einer freien, demokratischen Gesellschaft gekämpft. Für ihn gehörte Südafrika den Schwarzen und den Weißen. Lebenslänglich, lautet das Urteil des Apartheid-Regimes. Nach 27 Jahren wird Mandela entlassen und bei den ersten freien Wahlen gewinnt der ANC (African National Congress) mit ihm an der Spitze haushoch.

Seine Antrittsrede dauert neun Minuten. Mandela, der zu dieser Zeit schon 75 Jahre alt ist, liest sie ab. Es ist keine Rede, die durch ihren Vortragsstil bewegt, sondern allein durch ihre Inhalte und durch die Form einer klugen politischen Predigt.

Nelson Mandelas Antrittsrede enthält viele eindringliche Beschwörungen eines Landes, dessen Bürger gemeinsam seine Zukunft gestalten, die gemeinsam eine neue Realität schaffen, die Unterdrückung durch Freiheit und Menschlichkeit ersetzt.

Was das Storytelling betrifft, gelingt Mandela, was nur wenigen gelingt: Er spricht nie von sich, sondern bezieht sein Publikum von Anfang an mit ein. We anstelle von I. Alle sind integriert, die Guten und die Bösen. Alle haben eine gemeinsam Aufgabe.

Meine Analyse folgt der Sparkline, einem Schema, um erfolgreiche Reden oder Vorträge zu analysieren und zu verfassen.

Hier meine Analyse von Nelson Mandelas Antrittsrede:

1. HEUTE

Mandela beginnt mit den Worten: „Today, all of us do, by our presence here, and by our celebrations in other parts of our country and the world, confer glory and hope to newborn liberty.“

Das Land steht an der Schwelle zu einer neuen Ära, doch diese Ära muss erst noch Wirklichkeit werden.

2. MORGEN

Eine neue südafrikanische Realität. Gerechtigkeit und ein glorreiches Leben für alle Südafrikaner.

„Our daily deeds as ordinary South Africans must produce an actual South African reality that will reinforce humanity’s belief in justice, strengthen its confidence in the nobility of the human soul and sustain all our hopes for glorious life for all.“

3. INHALT

In einem Satz: eine friedliche Regenbogennation am Kap.

„We enter into a covenant that we shall build the society in which all South Africans, both black and white, will be able to walk tall, without any fear in their hearts, assured of their inalienable right to human dignity – a rainbow nation at peace with itself and the world.“

4. DAUER

Neun Minuten.

5. ERFOLGSKONTROLLE

Der Erfolg von Mandelas Rede lässt sich am politischen Fortschritt Südafrikas messen, daran, ob alle mitziehen, die Bürger und die Nationen, die bislang kritisch auf Südafrika geblickt haben.

Nelson Mandelas Antrittsrede ist versöhnlich: Es ist die Aufgabe aller Südafrikaner, eine neue Realität am Kap zu schaffen

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6. CALL TO ACTION

Mit dem Call to Action endet die Rede. Es ist eine Reihe von Forderungen, die schließlich in dem Satz „Let freedom reign“ zusammengefasst werden.

„Let there be justice for all. Let there be peace for all. Let there be work, bread, water and salt for all. Let each know that for each the body, the mind and the soul have been freed to fulfil themselves. Never, never and never again shall it be that this beautiful land will again experience the oppression of one by another and suffer the indignity of being the skunk of the world. Let freedom reign.“

7. PUBLIKUM

Das macht diese Rede besonders, dass sie sich dezidiert an an verschiedene Gruppen von Zuhörern wendet. Sie ist auf eine gewisse Art persönlich, versucht Gruppen mit den unterschiedlichsten Interessen abzuholen und zu verbinden.

Mandelas Rede richtet sich an die „people of South Africa“, er bezieht sie direkte in seine Rede ein, indem er nicht von sich selbst spricht, sondern von allen – etwa die Hälfte der Passagen beginnt mit dem Wort „We“.

Sie richtet sich ebenso explizit an die ausländischen Gäste: „We thank all our distinguished international guests for having come to take possession people of our country of what is, after all, a common victory for justice, for peace, for human dignity.“

Schließlich spricht Mandela auch seine Vorgänger, die Vertreter der weißen Apartheid-Regierung und deren Anhänger direkt an.

Er wendet sich an seine Gefährten, die mit ihm gekämpft haben.

Nelson Mandelas Antrittsrede ist eine Hymne an die Freiheit

8. AKT 1

Eine Zusammenfassung der gesamten Rede, verdichtet in wenigen Sätzen. Der Kernsatz, der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft verbindet, lautet:

„Out of the experience of and extraordinary human disaster that lasted too long, must be born a society of which all humanity will be proud.“

9. AKT 2

Der längste Teil seiner Rede. Zugleich politische Bestandsaufnahme und Beschwörung einer friedlichen Regenbogennation.

Mandela umkreist das Thema seiner Rede, verwendet verschiedene Bilder (Wunden heilen, Abgrund überbrücken, Wechsel der Jahreszeiten).

Er geht in die Vergangenheit, erinnert sich an den Kampf und das Inhumane des Apartheid-Regimes, an die Zeiten, in denen die Kämpfer gegen dieses Regime als Outlaw galten, an die Opfer. Und er geht in die Zukunft, spricht in Variationen von Freiheit, Gleichheit, Frieden.

Zugleich beschwört Mandela in vielen Sätzen, was zu tun ist:

„The time to build is upon us. We have, at last, achieved our political emancipation. We pledge ourselves to liberate all our people from the continuing bondage of poverty, deprivation, suffering, gender and other discrimination. We succeeded to take our last steps to freedom in conditions of relative peace. We commit ourselves to the construction of a complete, just and lasting peace.“

10. AKT 3

Der dritte Akt beginnt mit einer rhetorisch eindringlichen Erinnerung daran, dass es kein leichter Weg in Südafrikas Zukunft sein wird.

„We understand it still that there is no easy road to freedom. We know it well that none of us acting alone can achieve success. We must therefore act together as a united people, for national reconciliation, for nation building, for the birth of a new world.“

Danach leitet Mandela über zum Call to Action, zusammengefasst in den Sätzen: „Let freedom reign. The sun shall never set on so glorious a human achievement!“

Lesen Sie auch meine Analyse von „I have a dream“ von Martin Luther King, von der „Gettysburg-Rede“ von Abraham Lincoln und von Steve Jobs‘ Stanford-Rede.

 

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