Die Gettysburg-Rede ist eine der berühmtesten amerikanischen Reden aller Zeiten. Präsident Abraham Lincoln hält sie im November 1863 während des amerikanischen Bürgerkriegs auf dem Schlachtfeld von Gettysburg. Sie dauert keine 3 Minuten. Sie enthält 10 Sätze und weniger als 300 Worte. Ein großartiges Lehrstück für Storytelling.

Hier meine Analyse. Dabei folge ich der Sparkline, einem Schema, um erfolgreiche Reden oder Vorträge zu analysieren und zu verfassen.

Lincoln steht auf dem Schlachtfeld von Gettysburg. Er nimmt er seine Zuhörer mit auf eine Reise, die mit der Gründung der USA beginnt und an der Kreuzung endet, in dem das vom Bürgerkrieg zerrüttete Land sich zum Zeitpunkt der Rede befindet.

Lincolns Ziel: Sicherstellen, dass die Amerikaner den richtigen Weg wählen. Er erreicht dieses Ziel in Rekordzeit. Viele seiner Zuhörer glauben, die Rede habe gerade angefangen, da ist sie schon vorbei. Es gibt auch kein offizielles Foto, weil der Fotograf seine Kamera so schnell nicht aufbauen kann.

Von dieser Rede gibt es insgesamt fünf verschiedene Versionen, alle von Lincoln notiert. Hier ist die Bliss Copy:

Four score and seven years ago our fathers brought forth on this continent, a new nation, conceived in Liberty, and dedicated to the proposition that all men are created equal.

Now we are engaged in a great civil war, testing whether that nation, or any nation so conceived and so dedicated, can long endure. We are met on a great battle-field of that war. We have come to dedicate a portion of that field, as a final resting place for those who here gave their lives that that nation might live. It is altogether fitting and proper that we should do this.

But, in a larger sense, we can not dedicate — we can not consecrate — we can not hallow — this ground. The brave men, living and dead, who struggled here, have consecrated it, far above our poor power to add or detract. The world will little note, nor long remember what we say here, but it can never forget what they did here. It is for us the living, rather, to be dedicated here to the unfinished work which they who fought here have thus far so nobly advanced.

It is rather for us to be here dedicated to the great task remaining before us — that from these honored dead we take increased devotion to that cause for which they gave the last full measure of devotion — that we here highly resolve that these dead shall not have died in vain — that this nation, under God, shall have a new birth of freedom — and that government of the people, by the people, for the people, shall not perish from the earth.

Abraham Lincoln
November 19, 1863

Hier meine Analyse der „Gettysburg-Rede“:

1. Heute

Lincoln beginnt im Gestern, erinnert an die Gründung der USA vor 87 Jahren („Four score and seven years ago „). Von da aus geht er in die Gegenwart, die Zeit des Bürgerkriegs („Now we are engaged in a great civil war“). Das Gestern ist sein eigentlicher Bezugspunkt, weil dieses zugleich die Zukunft ist.

2. Morgen

Lincoln erklärt, dass aus dem Krieg ein neuer Frieden geboren werden möge („That this nation, under God, shall have a new birth of freedom“). Die Sklaverei, für deren Abschaffung Lincoln eintritt, erwähnt er nicht. Jeder weiß es.

3. Inhalt

In einem Satz: Der Traum von einer freien Nation.

„That these dead shall not have died in vain … that this nation, under God, shall have a new birth of freedom – and that the government of the people, by the people, for the people, shall not perish from the earth.“

4. Dauer

Knapp 3 Minuten.

5. Erfolgskontrolle

Der Erfolg dieser bewegenden und inspirierenden Rede lässt sich am Ende des Kriegs messen und einer freien Nation, die an dessen Ende steht. An diesem Tag geht es darum, die Zuhörer an die Zukunft zu erinnern: die Wiederherstellung der Union. Das passiert auch, aber erst eineinhalb Jahre später.

Die Gettysburg-Rede enthält weniger als 300 Worte

6. Call to Action

Es geht darum, das unvollendete Werk zu vollenden: die Vereinigten Staaten von Amerika.

„It is for us the living, rather, to be dedicated here to the unfinished work which they who fought here have thus far so nobly advanced.“

7. Publikum

Live dabei: 15.000 Amerikaner, die zur Einweihung des Soldatenfriedhofs gekommen sind.

8. Akt 1

Lincoln beginnt in fast biblischem Tonfall. Er erzählt von der Gründung der USA, leitet über in den Bürgerkrieg – weder die Nord- und Südstaaten werden erwähnt, noch der Grund des Krieges. Die Rede schwebt von Anfang an über der Realität.

9. Akt 2

In diesem Akt geht es typischer Weise ein wenig hin und her zwischen Heute und Morgen. Zwischen dem, was ist und dem, was sein soll. Bei Lincoln allerdings gar nicht. Dafür hat er keine Zeit. Er weist darauf hin, dass im Hier und Jetzt der Boden durch die Anwesenden nicht geweiht werden könne, das hätten bereits die tapferen Männer, Lebende wie Tote, die hier kämpften, getan.

10. Akt 3

Der dritte Akt beginnt mit dem Call to Action: „It is for us the living …“

Lincoln mahnt die Anwesenden. Er spricht rhythmisch, mit drei Wiederholungen, er malt den großen Zusammenhang – Gott, die Regierung, die Nation, die Freiheit, das Volk.

„… auf dass wir hier feierlich beschließen, dass diese Toten nicht vergebens gestorben sein sollen – auf dass diese Nation, unter Gott, eine Wiedergeburt der Freiheit erleben soll – und auf dass die Regierung des Volkes, durch das Volk und für das Volk, nicht von der Erde verschwinden möge.“

Auch zum Schluss wieder ein biblischer Tonfall, von großer Einfach- und Klarheit.

Lesen Sie auch meine Analyse von „I have a dream“ von Martin Luther King, von Nelson Mandelas Antrittsrede und von Steve Jobs‘ Stanford-Rede.

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