Storytelling bietet viele Möglichkeiten, eine gute Präsentation besser zu machen. Entscheidend ist meiner Meinung nach der Gedanke, dass Storys die menschliche Seite betonen. So entsteht eine Beziehung. So entsteht auch Resonanz. Beide sind Voraussetzungen wenn Sie erfolgreich präsentieren wollen.
Storys zeigen uns als Menschen, machen uns nahbar. Zugleich weisen sie über uns hinaus. Es geht nicht um Selbstdarstellung, sondern um eine Idee, ein neues Produkt, eine Strategie, deren Vermittler wir sind. Auch das Publikum wird aus Sicht des Storytellers nicht als Faktenfresser betrachtet, sondern als Mensch mit individuellen Zielen, Wünschen und Befindlichkeiten.
Erfolgreich präsentieren mit Storytelling:
Nutze die Heldenreise als Struktur für deine Präsentation
Eine logische Struktur für Vorträge ist gut, kann aber ermüden. Eine dramatische Struktur, die Fakten mit Emotionen verbindet, sorgt für ungebrochene Aufmerksamkeit.
Die Heldenreise bietet sich dafür an. Sie beschreibt den Weg des Helden durch eine Geschichte. Die Heldenreise beginnt in der vertrauten Welt, bewegt sich in die fremde Welt und von dort aus wieder in die vertraute Welt. Drei Akte, der längste davon der zweite.
Im ersten Akt hört der Held den Ruf des Abenteuers, lehnt ab und muss von einem Mentor überzeugt werden. Im zweiten Akt lässt er sich auf das Abenteuer ein, findet Freunde, begegnet Feinden, muss Prüfungen bestehen. Er stirbt symbolisch und wird wiedergeboren, bekommt schließlich das, was er gesucht hat. Im dritten Akt bringt der Held das Neue in die vertraute Welt. Die Mächte der fremden Welt versuchen ihn ein letztes Mal davon abzuhalten, doch er besteht auch diese Prüfung.
Diesem Schema folgen viele Hollywoodfilme, zum Beispiel Star Wars. Das Schema passt auch wunderbar für alle, die erfolgreich präsentieren wollen. Natürlich lässt es sich abwandeln, doch die Grundordnung sollte bleiben.
Wer in der vertrauten Welt beginnt, holt das Publikum ab, nimmt es mit auf die Reise, zeigt ihm die neue Welt, zum Beispiel in einer Strategie-Präsentation. Führt an den Prüfungen vorbei, die zu bestehen sind. Zeigt die Freunde und Feinde. Am Ende führt die Präsentation zurück in die vertraute Welt und sagt ganz konkret, was zu tun ist. Call to Action: Jetzt gehen wir gemeinsam auf die Reise, deren roten Faden ich euch eben skizziert habe.
Finde einen spannenden Einstieg und ein starkes Ende
In der ersten Minute entscheidet sich, ob die Zuhörer überhaupt Interesse daran haben, einer Präsentation zu folgen. Die letzten Minuten färben das Gesamtbild der Präsentation. Sie mag noch so spannend begonnen haben und noch so gekonnt im Mittelteil überzeugt haben – ist das Ende misslungen, wird das in den Augen der Zuhörer die gesamte Präsentation abwerten.
Für den Anfang empfehle ich eine persönliche Story (dazu mehr im nächsten Tipp) oder eine spannende Ausgangssituation, eine, deren Auflösung die Zuschauer unbedingt hören wollen. Ein Beispiel: „Stellen Sie sich zwei verschiedene Versionen der Zukunft vor. Die eine ist: Sie gewinnen im Lotto. Die andere ist: Sie sind querschnittsgelähmt. Welchen Einfluss hat das auf Ihr Lebensglück?“ Diese Frage stellt Dan Gilbert in seinem TED-Vortrag über Glück. Leider nicht am Anfang, da hätte diese Frage noch mehr Wirkung erzielt.
Ein gutes Ende verknüpft das Thema mit der Frage „Was ist zu jetzt tun?“ Auch dazu ein TED-Beispiel. Esther Perel beendet ihren Vortrag über Untreue so: „Ich schaue in zweierlei Hinsicht auf Affären: Schmerz und Betrug auf der einen Seite, Wachstum und Selbstentdeckung auf der anderen, was es für dich getan hat und was es für mich bedeutet hat. Wenn also ein Paar nach einer Affäre zu mir kommt, die enthüllt wurde, werde ich ihnen oft das sagen: Heute, im Westen, werden die meisten von uns zwei oder drei Beziehungen oder Ehen haben, und einige von uns werden es mit derselben Person haben. Ihre erste Ehe ist vorbei. Wollen Sie zusammen eine zweite erschaffen?“
Beginne mit einer persönlichen Story
Die persönliche Story ist der beste Einstieg, denn sie zeigt, wie man selbst mit dem Thema verbunden ist, das man präsentiert. Sie demonstriert Offenheit und Verletzlichkeit, ermöglicht dem Publikum Nähe.
Beim Besuch eines bekannten Risikokapitalgebers im Silicon Valley begann die Unternehmenspräsentation mit folgenden Worten: „Das sind unsere 10 größten Fehler. 9 davon gehen übrigens auf mein Konto. Doch das würde auch jeder meiner Kollegen behaupten.“ Von dort ging es direkt zu den Fehlern und zum Kernthema: Warum Fehler notwendig sind und wie sich ihnen lernen lässt?
Elegant ist auch Hans Roslings Einstieg, der nicht direkt von sich erzählt, sondern von seiner Familie. Er spricht über die magische Waschmaschine, die seine Mutter und seine Oma fasziniert hat, und schwenkt von dort aus zu einem Bild der Weltbevölkerung, ihrer Lebensweisen, ihrer Wünsche. Und zwar ohne dabei die Waschmaschine aus den Augen zu verlieren. Sie bleibt das prägende Bild seines Vortrags. Erfolgreich präsentieren – das lässt sich wunderbar von Hans Rosling lernen. Ich empfehle alle TED-Vorträge des schwedischen Professors, weil sie zugleich faktisch und emotional sind, ein kluges Update meines Weltbilds. Und weil sie einfach Spaß machen.
Kenne dein Publikum
Wer ein Gefühl für das Publikum hat, tut sich leichter, es abzuholen. Verwenden wir noch einmal die Metapher der Reise: Wenn wir den Bus fahren, in dem das Publikum auf Reisen geht, sollten wir wissen, wo es uns erwartet, damit wir es nicht verpassen.
Dabei hilft ein ein Set von Leitfragen. Was sind die Ziele des Publikums? Hat es eine Nähe zum Thema? Welche Werte und Einstellungen prägen es? Welche emotionalen Bedürfnisse hat es im Kontext Ihrer Präsentation?
Schließlich eine Frage, die gern vergessen wird: Gibt es ein Publikum hinter dem Publikum? Wer entscheidet darüber, ob der Inhalt Ihrer Präsentation erfolgreich und überzeugend war? Oft sitzt diese Person gar nicht im Raum. Das bedeutet, dass die Personen, vor denen Sie präsentieren, selbst eine überzeugende Story weitererzählen müssen. Genau die sollten Sie ihnen geben. Mündlich. Und auch in Ihren Charts, die vermutlich weitergeleitet werden.
Mache ein Angebot, anstatt zu verkaufen
Storys bieten den Vorteil, dass sie verkaufen, ohne zu verkaufen. Überzeugen, ohne zu überreden. Sie helfen dabei, erfolgreich zu präsentieren, ohne zu pushen. Wer erzählt, entscheidet sich auch für Werte wie Vertrauen und Offenheit. Es geht um die Differenz zwischen „ich sage dir mal, wie die Fakten sind“ und „lass mich dir eine Geschichte erzählen“.
Dazwischen liegen für mich Welten. Mit der Geschichte mache ich ein Angebot. Dem Zuhörer bleibt ein großer Entscheidungsfreiraum. Zugleich eröffnet sich die Möglichkeit, sich über die Story in das Thema meiner Präsentation hineinzuversetzen und hineinzufühlen. So entsteht Nähe.
Anders ist es, wenn ich Fakten A, B, C präsentiere und frage: „Sind Sie dabei?“ Das lässt wenig Freiraum und bietet kaum Möglichkeiten, ein Szenario in seiner Tragweite zu erfassen oder sich inspirieren zu lassen. Dabei ist genau das der erfolgversprechendere Weg.
Storytelling ist nicht nur eine nette Verpackung, es ist eine Art, authentisch und unaufdringlich überzeugende Angebote zu machen.
Lass dein Ego zu Hause
Wer präsentiert, kann kaum anders, als sich selbst wichtig zu nehmen. Schließlich ist man derjenige, der die Sache rüberbringt. Das stimmt. Sollte aber nicht als Aufforderung verstanden werden, sich als wichtig darzustellen. Sondern sich, im Gegenteil, der Sache, dem Thema, der Vision unterzuordnen.
Selbstironie ist ein starkes Mittel. Vielleicht so, verpackt in eine kleine Story: „Ich möchte Ihnen gleich zu Beginn etwas gestehen. Vor gut 20 Jahren habe ich etwas getan, das ich bereue. Auf das ich nicht besonders stolz bin und das ich eigentlich nie jemandem erzählen wollte. Ich habe in einem Anflug jugendlicher Dummheit Jura studiert.“ Und nun? Jeder will wissen, wie es nach diesem von mir leicht gekürztem Geständnis weitergeht und was das mit Dan Pinks Vortragsthema Motivation zu tun hat. Und man mag ihn, weil er sich selbst nicht so ernst zu nehmen scheint.
Tipp für alle Mächtigen, die es gewohnt sind, im Mittelpunkt zu stehen: Erzählen Sie keine Storys, die so klingen, als wollten Sie damit angeben. Weder über sich, noch über ihr Unternehmen. Wer erfolgreich präsentieren will, nimmt sich zurück.
Vermittle den Sinn
Auch wenn es sich um eine Verkaufspräsentation handelt, Storytelling sollte vor allem darauf abzielen, den Sinn zu vermitteln, das Warum. So kommt das Interesse an den Produkten ganz von selbst.
Ein Beispiel dafür ist Elon Musks Präsentation des Tesla Model 3. Bevor Musk über das neue Auto erzählt, nimmt er sich 10 Minuten Zeit, um über den visionären und den strategischen Rahmen des Model 3 zu erzählen. Er erzählt von Teslas Werten und vom Masterplan der Firma. Sehr sachlich. Keine persönliche Story, dafür aber ein Kontext, der ein Wir-Gefühl erzeugt. Mehrfach bedankt er sich bei den Tesla-Kunden im Publikum dafür, dass sie Teslas Model 3 möglich gemacht haben.
Für die Strategie findet Musk eine sympathische und selbstironische Metapher: den Secret Master Plan. Entlang dieses Bildes erzählt er mit größter Einfach- und Klarheit die Unternehmenslogik.
Was Musk als Struktur für seine Präsentation nutzt, ist die Kraft des Golden Circle. Ein Tool, das drei zentrale Fragen stellt: Why? How? What? Die Antworten darauf ergeben ein Fundament für erfolgreiches Storytelling. Selbst in so reduzierter Form wie bei Elon Musk.
Reduziere deine Charts
Weniger ist mehr – diese Regel gilt bei Präsentationen vor allem für die Menge der Charts. Erstaunlich, wie selten dieser einfache Tipp berücksichtigt wird. Die typische Klage lautet: Ich habe so viele spannende Daten, Fakten, Details – ich kann unmöglich kürzen. Und ob! Es geht darum, die Menge der Charts und die Menge der Informationen pro Chart zu kürzen.
Es hilft, sich selbst in die Rolle des Publikums zu versetzen: Welche Präsentationen haben mich überzeugt? Welche nicht? Welche Rolle spielte dabei die Menge der Charts? Und deren Komplexität? Die Frage beantwortet sich so von selbst. Einfach. Wenig. Aus.
Und wer noch Zweifel hat, der studiere bitte die Apple Keynotes. Sie sind ein perfekter Ausgangspunkt für eigene Präsentationen. Sie alle haben einen roten Faden, eine klare Story und so wenige Charts wie nötig sind, um die Story zu erzählen.
Sprich frei und natürlich
Ich stelle mir vor, wie ich mein Thema Freunden beim Abendessen vorstellen würde. Ohne Charts, nur mit ein paar beschriebenen Servietten. Wie eine Geschichte, die ich ihnen erzähle. So bekommt die Präsentation Bodenhaftung und wird natürlich. Eine überzeugende Präsentation ist zugleich perfekt vorbereitet und improvisiert.
Ein bisschen wie Jazz. Es gibt Freiräume. Es geht darum, die Stimmung oder die Fragen im Raum aufzugreifen. Wichtig ist trotzdem die Punktlandung: Auf keinen Fall überziehen oder durchhecheln, um den vorgegebenen Zeitrahmen einzuhalten.
Tipp: Erfolgreich präsentieren bedeutet maximal 80-90 Prozent der vorgegebenen Zeit für die Präsentation einzuplanen.
Gehe agil vor
Erfolgreiche Präsentationen müssen reifen. Wenn Sie 100 Menschen Ihre Präsentation zeigen und sie um ihr Feedback bitten, dann sollte diese rund sein. Entscheidend ist, agil vorzugehen und aus dem Feedback zu lernen. Es ist nicht wichtig, dass die Präsentation zu Beginn perfekt ist. Was zählt, ist der Dialog mit den Zuhörern.
Vielleicht gibt es zu Beginn nur eine Skizze, die auf einen Bierdeckel passt. Aus den Fragen und Anmerkungen während des ersten Kaffees ensteht ein zweiter Bierdeckel und ein dritter. Irgendwann steht die Präsentation und ist keine Schreibtischarbeit, sondern road tested.
Jetzt ist sie viel wertvoller und etwas, womit Sie sich wohlfühlen. Weil die Präsentation funktioniert, das wissen Sie aus eigener Erfahrung. Und sollte es beim entscheidenden Termin nicht laufen, wie Sie sich vorstellen, haben Sie während der Kaffeegespräche so viel Erfahrung gesammelt, dass Sie spielend mit einer Improvisation überzeugen können. Jede Frage, jede Kritik haben Sie bereits gehört.