Lean Storytelling. Das ist meine Formel dafür, auf den Punkt zu kommen – bei Präsentationen, bei Vorträgen, in Mails, Memos, Dossiers. Ich möchte Ihnen gern ein Framework vorstellen, das genau dabei hilft, Inhalte auf das Maximum zu reduzieren. Ein Framework, das jeder anwenden kann, weil es einfach ist und keine Schreibausbildung voraussetzt.

Beim Verfassen dieses Beitrags hatte ich zwei Menschen im Kopf: Der eine ist ein früherer Managerkollege, nennen wir ihn Reiner. Für ihn habe ich diesen Beitrag geschrieben. Der andere ist der amerikanische Regisseur Ridley Scott.

Von Der weiße Hai im Weltall zu Flickr für Video

Was Reiner mit 30 Charts nicht gelang, schaffte Ridley mit nur drei Worten. Reiner sammelte. Ridley warf weg – auf Weltklasse-Niveau. Und so ist mit seinem Film Alien einer der berühmtesten Pitches der Filmgeschichte verbunden.

Jaws in Space.“

„Der Weiße Hai im Weltall.“

Punkt. Aus.

Hollywood hat nicht viel Zeit, wenige Sätze müssen reichen, um ein Filmprojekt überzeugend zu beschreiben.

Auch Ihr Publikum, Ihre Leser sind Ihnen für jede Minute dankbar, die Sie ihnen nicht stehlen. Ganz gleich, ob sie eine Strategie vermitteln, eine Marke, einen Sales Pitch. Und sollten Sie doch einmal hören: Schöner Vortrag, er hätte ruhig noch länger sein können. Nehmen Sie es nicht wörtlich. Das heißt: Danke, genau die richtige Länge.

Würde Reiner das gefallen? Weißer Hai im Weltall. Er würde diese geniale Knappheit lieben. Warum kommt er selbst nie auf den Punkt? Ganz einfach: Weil er nicht vom Publikum aus denkt. Und sich von dort aus, gleichsam rückwärts, durch sein Material und seine Ideen kämpft. Er weiß gar nicht, was die Leute hören wollen.

Ganz anders Ridley Scott: Steven Spielbergs Weißer Hai war ein Blockbuster. Er sagt in seinem Pitch: Von mir kriegst du auch so einen Blockbuster. Gleiches Strickmuster wie Spielberg. Anderer Ort. Schlag zu!

Vorbild für Lean Storytelling ist ein Framework, das der Entrepreneur und Autor Eric Ries in seinem Buch The Lean Startup entwickelt hat. Ries folgt dem Muster agiler Softwareentwicklung, um zu zeigen, wie ein Startup erfolgreich zu führen ist. Keine komplizierten Pläne, sondern einfach anfangen und sich entlang festgelegter Stationen bewegen.

Von Lean Startup zu Lean Storytelling

Am Anfang steht eine Hypothese, dann beginnt das Experimentieren. Nicht einmal, sondern immer wieder geht es durch eine definierte Feedback-Schleife, die den Weg von der Vision zum Produkt bzw. zur Story beschreibt.

Write, tell, learn – das sind die drei Schritte. Mehr ist das nicht. Immer wieder: Write, tell, learn. Dabei wird das Resultat von Entwicklungsschritt zu Entwicklungsschritt durch Feedback verbessert.

Das ist die wesentliche Idee dieses Frameworks: Storys nicht allein zu entwickeln, sondern in Interaktion mit dem Zielpublikum – bis schließlich maximale Formulierungen dabei herauskommen wie „Jaws in Space“ oder „Flickr for Video“ (Pitch YouTube). Beim Storytelling wie bei der Produktentwicklung geht der Weg immer rückwärts von der Hörer-/Leser-/Kundenerfahrung.

Natürlich dürfen die Storys auch bedeutend länger sein – je nachdem worum es geht. Eine Strategie in drei Worten zu pitchen wäre eine echte Herausforderung – aber nicht unmöglich. „Crush Adidas“, fällt mir gerade ein. Nikes Vision der 60er-Jahre. Nur zwei Worte.

Von der Zielgruppe aus rückwärts arbeiten

Dieser Beitrag ist Teil des Lean Storytelling Pakets. Es enthält noch ein Lean Storytelling Canvas sowie ein Chart, das die Idee grafisch zeigt. Das eigentliche Arbeitsmaterial ist das Canvas. Sie können es im Bereich Tools downloaden.

Probieren Sie das Lean Storytelling Canvas einfach aus! Ich bin sicher, Sie werden dadurch Zeit und Mühe sparen. Mehr Spaß bei der Entwicklung von Storys haben – und mehr Erfolg.

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HIER DIE ANLEITUNG ZUM AUSFÜLLEN DES LEAN STORYTELLING CANVAS:

1. Vision

Beantworten Sie die Frage: Was ist meine Vision? Welches größere Bild soll die Story vermitteln? Notieren Sie sich das möglichst präzise.

Dann fragen Sie sich: Welchen Zweck erfüllt die Story in Bezug auf die Vision? Und was passiert, wenn sie erfolgreich ist? Beispiele: Ein Pitch wird gewonnen (Umsatz). Ein Change-Prozess erfolgreich eingeleitet (Zahl der Freiwilligen, die mitwirken wollen). Ein Produkt wird erfolgreich eingeführt (Verkäufe).

2. Write

Schreiben Sie die Story auf, von der Sie glauben, dass sie Ihre Vision am besten transportiert und den ihr zugedachten Zweck erfüllt. Vielleicht fallen Ihnen auch mehrere Storys ein. Beginnen Sie mit dem Best Guess.

3. Story

Die Story muss noch nicht perfekt ausformuliert sein. Ich halte es für effizienter, schneller zu starten und mehr Runden zu drehen. Gerade am Anfang neigt man aus Ehrfurcht vor dem leeren Bildschirm oft dazu, sich zu verkopfen. Vielleicht schreiben Sie die Story auf dem Smartphone. Das erzieht zur Knappheit. Auf diese Idee brachte mich Digital Strategist Wolfgang Gruener.

Es gibt viele Beiträge auf dieser Webseite, die sich mit dem Aufbau von Storys beschäftigen. Der Beitrag über den amerikanischen Dichters Edgar Allan Poe etwa oder der Beitrag über die Struktur überzeugender Vorträge. Ebenfalls hilfreich: der Artikel über den Elevator Pitch.

4. Tell

Die Story erzählen. Für qualitatives Lernen mündlich. Abhängig vom Kontext bieten sich zwei Möglichkeiten: 1:1 oder einem größeren Zielpublikum.

Ich würde mit einem möglichst kleinen Kreis beginnen.

Für qualitatives Lernen bietet sich eine Online-Veröffentlichung an. Vielleicht zunächst in geschlossenen Benutzergruppen. Klickzahlen oder Likes lassen sich messen und mit den Zielen vergleichen.

Klingt aufwändig? Es kommt ganz auf die Tragweite der Story an. Für eine Strategie-Story etwa halte ich das für angemessen.

5. Feedback

Ich empfehle, einen Feedback-Fragebogen zu entwerfen und ihn als Guideline für die Gespräche zu nutzen. Auch der Fragebogen sollte als Teil der Lernschleife gesehen und kontinuierlich verbessert werden. Wichtig: Offene Fragen stellen.

Das Ziel dieses Gesprächs ist es, ein Gefühl dafür zu bekommen, was an der Story funktioniert und was noch nicht. Worauf die Zuhörer wirklich reagieren, was sie kalt lässt. Ein Dutzend Feedback-Gespräche reicht oft schon.

Wurde die Story online veröffentlicht, lassen sich die tatsächlichen Zahlen mit den erwarteten Zahlen vergleichen. Danach in weiteren Loops mit Text- und Überschriftsvarianten spielen und den Fortschritt messen.

6. Learn

Lean Storytelling ist darauf ausgerichtet, schnell zu lernen und dabei immer mehr auf den Punkt zu kommen, der wirklich zählt.

Es geht darum, Formulierungen wie Hypothesen zu behandeln und sie immer wieder in Frage zu stellen. Jeder neue Durchlauf sollte eine klare Fragestellung beantworten. Bis irgendwann alles passt und der Aufwand für weitere Interaktionen nur wenig Fortschritt bringen.

Ausführliche Erklärungen für Learning Reports finden sich in Ash Mauryas Buch Running Lean.

Danach geht es in die nächste Lernschleife auf Basis der Erfahrungen aus der vorhergehenden Runde.

7. Zielgruppe

Für wen ist die Story eigentlich? Eine Frage, die Sie ganz zu Anfang beantworten sollten. Storytelling ist wie Produktentwicklung immer zielgruppenspezifisch.

Manchmal ist die Zielgruppe breit. Es empfiehlt sich, sie zu splitten und mit dem wichtigsten Teil der Zielgruppe zu beginnen. Die Menschen, die die Hauptrolle spielen, wenn es darum geht, den Zweck der Story zu erreichen.

8. Metrik

Woran erkennen Sie, ob Ihre Story erfolgreich war? Was auch immer Sie für wichtig halten: Messen Sie es. Likes. Lesezeiten. Öffnungsraten. Retention. Zur Unterscheidung von sinnvoller und sinnloser Metrik empfehle ich Eric Ries‘ Buch The Lean Startup.

9. Limit

Setzen Sie sich ein striktes Limit. Der Vortrag soll eben nur fünf Minuten dauern. Der Text nur eine Seite lang sein. Die Mail nur drei Absätze enthalten. Oder – nur drei Worte?

Dieses Limit spielt am Anfang eine untergeordnete keine Rolle. Aber nachdem einige Lean Storytelling Schleifen durchlaufen sind, wird das ein zentraler Punkt sein.

Ein gutes Gefühl für das Limit entsteht während der Feedbacks. Innerhalb dieses Limits gilt dann die Regel, die Sie ja längst kennen: aufs Maximum reduzieren.

Gutes Gelingen beim Ausfüllen des Lean Storytelling Canvas!

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