Die Story vom Chauffeur und seinem Chef – eine kleine Geschichte über Hybris und den Weg zurück auf den Boden der Tatsachen. Netter als Goethes Zauberlehrling. Positiver. Gewitzter. Die Story lässt sich wunderbar erzählen, wenn Bodenhaftung verloren gegangen ist – in einem Team, bei einem Mitarbeiter oder auch bei sich selbst.

Ich habe die Chauffeurs-Story von einem Taiwanesischen CEO erzählt bekommen. Er hat sie so erzählt, als sei sie ihm selbst passiert. Und ich hätte sie fast geglaubt.

Mit etwas Googeln fand ich heraus, dass diese Geschichte bereits eine Geschichte hat. Und bei Rolf Dobelli, Autor des Buches Die Kunst des klaren Denkens, fand ich die Ur-Chauffeur-Story. Und die geht auf den deutschen Physiker Max Planck zurück. Sie geht so:

Wo auch immer Max Planck eingeladen war, hielt er denselben Vortrag zur Quantenmechanik. Irgendwann kannte ihn sogar sein Chauffeur auswendig. Der bot ihm an, den Vortrag für ihn zu halten, während Max Planck im Publikum sitzen könne – mit Chauffeursmütze natürlich. Um die Langeweile im Leben beider zu unterbrechen, sagte er. Es wäre überdies schön, wenn Max Planck auch mal das Fahren übernehmen könne.

Der Chauffeur spricht über Quantenmechanik

So sprach der Chauffeur über Quantenmechanik. Perfekt, wie Max Planck selbst. Es gab Applaus. Dann kam die erste Frage. Der Chauffeur konnte sie natürlich nicht beantworten. Was tat er: Er entgegnete gelassen, dass er so eine simple Frage hier nicht erwartet habe. Doch da sitze sein Chauffeur, er werde ihn bitten zu antworten.

Nett, oder? Ein bisschen hochstapeln und elegant wieder zurück in die eigene Welt.

Übrigens: Dobelli schaut auf die Story vom Chauffeur aus Sicht des Publikums – und warnt, Nachrichtensprecher und andere Chauffeure nicht allzu ernst zu nehmen. „Das sind Schauspieler. Punkt. Jeder weiß es. Und doch überrascht es immer wieder, welchen Respekt man diesen Meistern der Floskeln zollt. Sie werden für viel Geld eingeladen, Panels und Podien zu moderieren, deren Themen sie kaum gewachsen sind.“

Auch ein guter Punkt. Allerdings nur bedingt nachvollziehbar für mich. Judith Rakers etwa ist doch eine hervorragende Moderatorin.

Man könnte auch aus der Sicht von Max Planck auf den Rollentausch blicken. Warum macht er das wohl? Die Ermüdung des Chefs. Die Freude daran, sich selbst von einem Schauspieler repräsentiert zu sehen. Das Vergnügen an Charaden.

Es gibt viele Möglichkeiten, diese kleine Story mit Sinn aufzuladen. Gerade das macht sie für mich so faszinierend.