Gute Storyteller sind nicht immer gute Gesprächspartner. Getrieben vom Drang, die eigene – viel spannendere, aktuellere, bedeutsamere – Story zu erzählen, zerstören Sie ohne böse Absichten die Geschichten von anderen, anstatt ihnen zuzuhören. Und dann legen sie selbst los. Ich fand drei Tabus für Storyteller.

Tabus für Storyteller, bei deren Überschreitung ich auch mich selbst immer wieder ertappe. Oft reicht es, sich bewusst zu machen, was dieses Trio anrichtet, um sein Verhalten zu ändern und dafür zu sorgen, dass die Geschichten wieder fließen.

Im Kern geht es um Sensibilität und Einfühlsamkeit, die wir nicht nur für unsere Figuren benötigen, sondern viel mehr unser Gegenüber, das wir niemals darauf reduzieren sollten, unser Publikum zu sein.

Tabu Nr. 1: Ich weiß

Wir alle wollen gut aussehen. Doch genau dieses Verlangen kann uns als Erzähler und Zuhörer in die Quere kommen. Zwei Wörter erzählen die ganze Geschichte: „Ich weiß.“ Sie rutschen jedem von schnell mal raus – aber bitte wohldosiert. Ein Zen-Spruch zeigt, worum es geht: „Knowledge is learning something every day. Wisdom is letting go of something every day.“

Es ist kein Vergnügen, jemanden um sich zu haben, der sich niemals beeindrucken lässt, der alles kennt und weiß. Du kommst aus dem Urlaub und willst deine Story erzählen, doch schon nach deinem ersten Satz heißt es: „In Griechenland war ich auch schon, ach ich müsste zählen, also mindestens zwölfmal.“ Du lässt dich nicht entmutigen, führst dein Gegenüber trotzdem noch auf die Akropolis in der Dämmerung, so ein zauberhaftes Licht …“ „Ich weiß.“

Was hilft? Selbst wenn man alles weiß und kennt, sich auf die Zunge beißen und im richtigen Moment die Story des Gegenübers mit der eigenen verbinden.

Tabu Nr. 2: Ich weiß es besser als du

Mindestens ebenso beliebt wie das Streben, gut auszusehen, ist die Ambition, recht zu haben. Wenn ich recht habe und die anderen nicht, dann fühle ich mich einfach besser. Bin ich dann nicht auch besser? Für den Moment vielleicht.

Für Beziehungen ist Rechthaberei jedenfalls Gift. Der Psychotherapeut Harville Hendrix sagt: „Do you want to be right, or do you want to be in a relationship? Because you can’t always have both.“

Vielleicht hilft es zu verstehen, woher dieses Verhalten kommen mag. Psychologen sagen, es mag von der Angst rühren, nicht respektiert zu werden. Oder, klüger noch, wie ich finde: Von der Angst, so gesehen zu werden, wie wirklich sind – unvollkommen.

Rechthaberei geht oft einher mit der Unart, andere nicht aussprechen zu lassen. Manchmal ist es sehr schwer, wenn die guten Gedanken oder Geschichten nicht darauf warten können, ausgesprochen zu werden. Andere nicht ausreden lassen, sollte aber eher die Ausnahme bleiben. Zumindest solange das Gegenüber einen nicht totquatschen will und Unterbrechung mehr in die Kategorie Notwehr fallen würde.

Was hilft? Sich vorstellen, wie pubertär diese Geste des Rechthabens ist und wie wenig sie am Ende nützt.

Tabu Nr. 3: Ich bin viel spannender als du

Diese Eigenschaft scheint sich aktuell einer gewissen Beliebtheit zu erfreuen. Oft beginnt es harmlos mit einer Frage, die zum Austausch sinnhafter Geschichten ermutigt. Etwa: „Wie geht es dir?“ Das soll dann aber auch die einzige Frage gewesen sein, denn wenn du höflich zurückfragst: „Und wie geht es dir?“, folgt ein Tsunamitext. Ein Schwall Geschichten.

Von allen Tabus für Storyteller halte ich dieses für das zentrale. So gut die Geschichten auch sein mögen, die der Tsunami bringt, in ihnen verbirgt sich nur eine Botschaft: ICH. Ich bin viel spannender als du. Ich zähle viel mehr als du. Ich mag meine Zeit nicht damit verplempern, mir deine Geschichten anzuhören, wo mein Leben doch so unendlich spannender ist. Und so weiter.

Gute Erzähler sind in Gefahr. Natürlich hören die Leute am Anfang gern zu, doch irgendwann kippt es. Gespräche sind zwar keine Geschäfte, dennoch sollte  jede gelungene Kommunikation meine Meinung nach ein Geben und Nehmen enthalten.

Was hilft? Eine Sensibilität für das Wort Ich entwickeln und für kommunikative Ausgewogenheit. In einem Workshop wurden die Teilnehmer einmal aufgefordert, von sich zu erzählen, ohne das Wort Ich zu verwenden. Gute Übung. Alle mehr oder minder gescheitert und doch viel gelernt.

Natürlich gibt es viel mehr als diese drei Tabus für Storyteller. Dieser Beitrag soll nur eine Anregung sein, das eigene Verhalten zu überprüfen und nicht nur ein guter Erzähler zu sein, sondern auch ein guter Zuhörer. Hier finden Sie eine Sammlung von Soft Skills für Storyteller.