Der rote Faden ist eine starke Metapher für die Ordnung einer Story. Ist die Geschichte klar erzählt oder nicht? Kann man gut folgen? Doch er ist mehr.

Um meine Arbeit als strategischer Storyteller zu erklären, greife ich immer wieder auf den roten Faden zurück. Allerdings in einer ursprünglicheren Bedeutung. In meiner Studienzeit begegnete mir diese Metapher in dem Roman „Die Wahlverwandtschaften“ von Johan Wolfgang von Goethe, veröffentlicht 1809.

Dort heißt es ohne konkrete Zeitangabe, dass die britische Marine einmal ein Problem hatte: Ihre Taue wurden gestohlen. Und selbst wenn man sie fand, konnte man nicht eindeutig beweisen, dass die Taue der Marine gehörten. So kam man auf die Idee, die Taue zu kennzeichnen.

Jedem Tau wurde ein dünner roter Faden eingewebt, der sich nicht heraustrennen ließ, ohne das Tauwerk zu zerstören. Auf diese Art wurden die Taue der Marine unverwechselbar und der Diebstahl machte keinen Sinn mehr.

Storytelling = die Arbeit am roten Faden

Ich helfe Menschen, diesen roten Faden in ihre Geschichten zu weben oder ihn zu entdecken, denn oft ist er schon da, nur lässt er sich nicht erkennen. Ohne den roten Faden wirken Geschichten oft beliebig, fade, austauschbar. Der rote Faden aber gibt ihnen das, was sie einzigartig und echt macht.

Oft ist der rote Faden das Erkennen und Herausarbeiten einer strukturellen Eigenheit, das, was wir den Plot nennen. Hier findet sich eine Übersicht der wesentlichen Plots – von Monster überwinden bis zum Comeback.

Auch wenn zum Beispiel glauben, in einer bestimmten Phase sei unser Leben nur ein Herumirren gewesen und wir Schwierigkeiten haben, den roten Faden zu finden, so helfen die Plots dabei, die Ereignisse aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Ihre Logik aus einer höheren Warte zu betrachten. Vielleicht ging es um eine Suche. Dann sollten wir die Ereignisse auch so erzählen. Oder wir haben mit einem Monster in uns gerungen, das wir benennen sollten. So bekommt auch das scheinbare Chaos einen roten Faden und lässt sich viel leichter nachvollziehen, weil wir den Sinn verstehen.

Der rote Faden = Leitmotiv oder zentraler Plot

Ein anderes Mal ist es ein Leitmotiv, eine zentrale Metapher, die sich wie ein Motto durch eine oder alle Geschichten zieht. Es geht darum sie zu identifizieren und entsprechend erzählerisch zu verwenden.

Zum Beispiel erzählt der Gründer von Dropbox, Drew Houston, anhand einer Metapher das zentrale Leitmotiv seines Lebens: Es geht um eine Art Balanced Scorecard, in der er drei Dinge verbindet – Leidenschaft, Freundschaft und die Erinnerung daran, dass unser Leben endlich ist. Ein Ball, ein Kreis, eine Zahl. Hier geht zu seiner Rede am MIT.

Eine Story erzählt nicht einfach, was passiert ist, sie erzählt auch wie und vor allem, warum es passiert ist. Sie bewegt sich auf einer Ebene der Werte und nicht nur an der Oberfläche der Ereignisse. Storytelling ließe sich definieren als die Arbeit am roten Faden.