Ich fand ein großartiges Zitat des Filmregisseurs Steven Soderbergh über Storytelling und Identität: Es geht um die beste Story von mir selbst. Die Story, die mich jeden Morgen aus dem Bett holt.
„We have to have a version of our own story that we keep telling ourselves that allows us to get up in the morning. This version of yourself is what you sell to yourself. I think it necessarily includes … not looking at certain things. Everybody’s got some blind spot.“
Diese beste Story von mir selbst ist der unsichtbare Kleber, der unser Leben zusammenhält. Sie gibt ihm Bedeutung verbindet mein Leben mit dem der Menschen, die für mich eine wichtige Rolle spielen.
Wie könnte so eine Story von mir selbst aussehen? Bei jedem anders, klar. Aber ich bin der Meinung, dass so eine Geschichte vor allem zwei Dinge leisten sollte:
1. Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft verbinden
Wir alle wollen auf unsere Lebensgeschichte als etwas blicken, dass Sinn macht. Die Story, die wir erzählen, ist sozusagen unser Leben. Es geht darum, die Punkte zu verbinden. Bedeutung entsteht, wenn diese Story nicht von Ereignis zu Ereignis stolpert, von Episode zu Episode, von Tatasche zu Tatsache, sondern wenn darin – trotz aller Veränderungen – eine Linie zu finden ist. Es geht um Kontinuität und Entwicklung. So entsteht Sinn, für uns und natürlich auch für andere.
Zum Beispiel Steve Jobs: Er erzählt in seiner Stanford-Rede davon, wie er die Punkte verbindet und in eine Story von sich einbindet. Er erzählt davon, wie das natürlich erst nachträglich möglich ist. Siehe auch VON STEVE JOBS LERNEN: ANALYSE SEINER STANFORD-REDE.
2. Uns mit der Welt verbinden
Ganz gleich, welche Geschichte uns am Morgen aus dem Bett holt: Je mehr Menschen in ihr Platz haben, desto stärker ist sie. Es geht um Zugehörigkeit, um Machen und Mitwirken.
Zum Beispiel Barack Obama. Er sagt: „I had to know and understand my own story before I could listen to and help other people with theirs.“
Barack Obama erzählt seine persönliche Geschichte als die typisch amerikanische Geschichte. Ein Immigrantensohn, dessen Großvater in der Army gedient hat. Der durch harte Arbeit und Entschlossenheit Hindernisse wie Armut und Rassismus überwindet, um die Welt zu verändern. Viele finden darin ihre eigene Story – auch wenn der Maßstab ein anderer ist.
Ein Wort zu den Blind Spots
Abschließend noch ein Wort zu den Blind Spots, die Soderbergh erwähnt. Natürlich hat selbst die beste Story von mir selbst diese Blind Spots. Das ist ja gerade der Ausgangspunkt für spannende Filme. Was sehen alle, nur der Erzähler nicht? Und was lässt er aus? Was sind seinen Schwächen? Welches Unheil könnte drohen?
Führungskräften, die diese Story von sich selbst häufig erzählen, würde ich empfehlen, Vertraute zu suchen, die offen Feedback dazu geben, die auf Lücken oder Widersprüche hinweisen. Auf Dinge, die jeder bemerkt, nur man selbst eben nicht.
Diese identifizierten Blind Spots humorvoll und entspannt in die eigene Lebensgeschichte einzuweben, ist meiner Meinung nach die hohe Schule der Erzählkunst. Es geht darum, im Soderbergh-Casting durchzufallen, einen miserablen Protagonisten für Filme á la Sex, Lügen und Video abzugeben. Und eine umso bessere Führungskraft. Eine, die glaubwürdig und authentisch ist.