Visuelles Storytelling der nächsten Generation. Ich treffe Microsoft-Manager Michael Zawrel zum Gespräch und natürlich, um eigene Erfahrungen mit der HoloLens zu machen. Holodeck 1 heißt der Raum. Ein paar Tische und verschiedene Stühle, ein Sideboard. Graue Wände, grüne Flächen kleben darauf wie Bilder.

Herr Zawrel, wir schauen Storytelling oft aus der Vergangenheit an. Alles begann, schätzen die Experten, vor 40.000 Jahren mit Höhlenmalereien. Und nun bemalen wir wieder die Wände, aber mit immateriellen Bildern aus Lichtpunkten. Noch dazu dreidimensional. Was passiert da?

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© Thomas Pyczak

Wir stehen ja gerade erst am Anfang. Wir haben die Microsoft HoloLens vor zwei Jahren vorgestellt. Seit März letzten Jahres ist sie in den USA verfügbar, seit Oktober in Deutschland. Die Reise hat erst begonnen. Sie hält viele spannende Sachen für uns parat. Und niemand weiß, wohin sich alles entwickelt.

Wagen Sie eine Vermutung!

Ich würde so weit gehen und sagen: Diese Technologie hat das Potenzial, die Art und Weise, wie wir mit Objekten oder auch Personen interagieren, komplett zu verändern.

Oha.

Objekte hängen im Raum wie gefroren

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© Microsoft Corporation

Ein Teil der Magie, die in der HoloLens-Technologie steckt, ist ja, dass wir nicht limitiert sind auf einzelne Screens und Displays, sondern die ganze Welt um uns herum nutzen können. Auch die Art und Weise, wie wir Geschichten erzählen, wie wir lernen, wie wir Wissen vermitteln, kann sich dadurch ändern.

Das Smartphone hat ja längst die Art geprägt, wie wir erzählen. Mit Bildern und Videos, die ohne Handy niemals in dieser Flut gemacht und geteilt worden wären. Wenn ich auf Facebook kein Bild oder kein Video poste, nur Text, wen interessiert es? Das Smartphone hat visuelles Stortelling, vor allem bei Social Media, erst ermöglicht.

Und jetzt geht es in die dritte Dimension.

Hololens bringt 3D zurück

Das hat uns das Kino auch schon erzählt – aber so richtig scheint es nicht zu funktionieren. Fast stört es.

Das ist ja nur eine simulierte Dreidimensionalität. Tatsächlich starren Sie trotzdem auf eine Leinwand. Ich meine: im Raum, dreidimensional. Microsoft HoloLens bringt Hologramme in Ihre Realität. Sie können die Hologramme bewegen, mit ihnen interagieren, sie verändern und mit ihnen arbeiten.

Balletttänzerin auf dem Sideboard: Meine HoloLens-Erfahrungen

Die HoloLens ist schnell für mich eingestellt. Bequem. Drei Gesten sind zu lernen, keine große Sache. Die Steuerung ist intuitiv. Die Hologramme sind beeindruckend. Fast erschrecke ich, als ich mich umsehe. Auf dem Sideboard steht eine Balletttänzerin und dreht Pirouetten. In einer Ecke schwebt ein Astronaut.

An das Blickfeld muss ich mich gewöhnen. Es ist seitlich, aber deutlicher spürbar auch oben und unten limitiert. Große Objekte sehe ich nur in Ausschnitten, wenn ich nah herangehe.

Da schwebt ein Airbus A 380. Ich gehe rein, sehe endlich mal die Erste Klasse. Ich zaubere ein Sonnensystem in die Mitte des Raumes, schaue mir die Planeten an. Als mich Michael Zawrel bittet, die Sonne auch von hinten anzusehen, gehe ich herum, drücke mich fast an der Wand entlang. „Sie hätten auch durch die Sonne durchlaufen können“, lacht er. „Aber das macht fast keiner.“

SIE HÄTTEN AUCH DURCH DIE SONNE DURCHLAUFEN KÖNNEN

Ich begebe mich auf Entdeckungsreise in den menschlichen Körper und verstehe, Lernen bekommt wirklich eine neue Dimension. Es gibt auch eine neue Dimension des Erzählens. Fragments heißt das Spiel, in dem ich die Hauptfigur eines Krimis bin, der in meinen eigenen vier Wänden spielt. Allerdings ist die Umgebung verändert, eine neue Welt legt sich wie eine Folie über meine vier Wände. Figuren in Lebensgröße tauchen auf.

Eine Echtzeit-Erzählung, ein Spiel? Was genau ist das? Hier werden gerade Grenzen verschoben. Zum Holodeck aus Star Trek fehlt noch eine Menge – aber das ist schon ein viel versprechender Anfang. Kopfkino wird zunehmend real.

Erklären sie bitte einmal, was für eine Realität ist denn das?

Wir nennen es Mixed Reality. Auf der einen Seite gibt es die physische Realität, das Hier und Jetzt. Der Gegenpol dazu ist die virtuelle Realität – ich tauche völlig ab in eine künstliche Umgebung. Wenn ich jetzt diese beiden Realitäten miteinander vermische, dann entsteht die gemischte Realität. HoloLens blendet Hologramme, also digitale Objekte, in die physische Realität ein, so als wenn sie Teil dieser Realität wären. Sie schweben im Raum. Interagieren mit der physikalischen Realität.

IRGENDWANN WERDEN WIR HOLOGRAMM UND REALITÄT NICHT MEHR UNTERSCHEIDEN KÖNNEN

Sie glauben nicht an virtuelle Realität?

Ich kann mir gut vorstellen, dass in einigen Bereichen, zum Beispiel bei Gaming, zunächst einmal Virtual Reality eine größere Rolle spielen wird. Ich tauche völlig in eine künstliche Welt ab. Doch das wird sich nach und nach aufweichen.

Nur, um das Begriffswirrwarr ganz zu entflechten: Wie definieren Sie Augmented Reality?

Das ist die Anreicherung der realen Welt um nützliche Informationen. Zwei bekannte Beispiele. Das Head-up Display im Auto. Oder auch Pokemon Go, wo sie sich auf dem Smartphone auf Monsterjagd begeben. Was dort nicht passiert, ist dass Hologramme als Teil der realen Welt eingeblendet werden. Sie werden auch nicht wirklich mit diesen Objekten interagieren können, wie mit Hologrammen.

Interagieren?

Die nächste Stufe ist Holoportation, die ultimative Form der gemischten Realität. Mixed Reality: Wir „beamen“ holographische Bilder von Menschen in einen Raum, etwa in einem Skype Call. Ihr Gegenüber sieht Ihre Mimik und Gestik. Daran arbeiten gerade zum Beispiel Forscher bei Microsoft Research.

visuelles storytelling fragments

© Microsoft Corporation

Ich könnte von hier aus eine Lesung in Hamburg machen, ohne diese Raum zu verlassen?

Sie wären als täuschend echtes Hologramm, wo auch immer Sie hinwollen. Sie könnten auch einen Star bitten, aus einem Ihrer Romane zu lesen und projizieren ihn vor das Auditorium.

Das wäre bestimmt ein Erlebnis. Die müssten dann aber alle die HoloLens-Brillen tragen?

Ja. Aber es braucht keine weiteren Computer. Die Brille ist der erste eigenständige kabellose holografische Computer der Welt. Sie steuern ihn mit Ihrem Blick, mit Sprache und wenigen Gesten. Die gesamte Technologie steckt in der Brille.

Aber die Brille gibt es gar nicht für Consumer, noch nicht?

Nein. Es gibt eine Developer Edition für 3299 Euro und eine Commercial Suite für 5489 Euro. Mehr Infos.

Und wie geht es weiter?

Natürlich haben wir eine Roadmap, aber wir sprechen noch nicht darüber.

Und die Vision?

Irgendwann werden wir ganz selbstverständlich mit Hologrammen agieren, wie mit „realen“ Objekten.

Das Holodeck.

Genau.

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