Es gibt etwas, das Manager vom Großmeister des Horror-Romans lernen können: die einfache Entwicklung von fesselnden Szenarien im Storytelling. Wer auf eine Strategie, ein neues Produkt oder auch seine eigene Biografie mit Stephen Kings Augen blickt, erzeugt von Anfang an Spannung.

Gehen wir einen Schritt zurück. Intuition oder Plan? Wie kommen Romanautoren eigentlich zu ihren Geschichten. Ein Plan, sagt Stephen King in seinem Buch Das Leben und das Schreiben, ein vorab entwickeltes Schema der Kapitel „ist in meinen Augen die letzte Zuflucht des guten Schriftstellers und die erste Wahl des Einfaltspinsels. Eine solche Geschichte kann nur künstlich und konstruiert klingen.“

Wie, kein Plan? Nein, eher ein agiles Vorgehen. Eine Ausgangssituation. Ein Szenario. Geprägt von Storytelling.

„Eine ausreichend fesselnde Ausgangssituation macht die ganze Frage nach dem Handlungsfaden überflüssig“, schreibt King. Viel lieber als alles im Voraus zu planen, lässt er seiner Geschichte freien Lauf. Zu Beginn steht nur eine einzige Frage und sie beginnt mit den Worten „Was wäre, wenn …?“

Was wäre, wenn Vampire in ein kleines Dorf in Neuengland einfielen? Was wäre, wenn eine junge Mutter mit ihrem Sohn in einem liegen gebliebenen Wagen von einem tollwütigen Hund bedroht wird?

Szenarien im Storytelling brauchen nur drei Worte und drei Punkte: Was wäre, wenn …

So viel zu Stephen Kings Romanen. Schauen wir uns ein wenig um. Wie lässt sich diese Frage für eine fesselnde Ausgangssituation noch anwenden? Etwa auf der Leinwand.

Matrix: Was wäre, wenn die Welt, in der du lebst, in Wirklichkeit die Matrix wäre? Herr der Ringe: Was wäre, wenn dein Ring die Macht hätte, die Welt zu zerstören – oder zu retten?

Oder, mal weg von der Leinwand. Airbnb: Was wäre, wenn ich auf Reisen ganz einfach privat wohnen könnte statt in Hotels? Mini: Was wäre, wenn wir die Kultmarke wiederaufleben lassen?

So entstehen lebendige Szenarien im Storytelling. Keine Charts, keine Listen, sondern greifbare Geschichten. Das Großartige an Stephen Kings drei Worten: Sie regen die Fantasie an, weil in der Frage schon eine Spannung liegt. Wir stellen uns die Welt jetzt anders vor. Etwas wird sich ändern. Ein Riss geht durch die Welt. Was passiert dann?

Stephen King schreibt: „Ich versetze Figuren in einen Konflikt irgendeiner Art und sehe dann zu, wie sie versuchen, sich aus ihrem Dilemma zu befreien … In manchen Fällen geht es so aus, wie ich mir vorgestellt habe. Meistens aber nimmt es ein Ende, mit dem ich niemals gerechnet hätte.“

Nichts Anderes ist agile Produktentwicklung. Nur im Management ist es meiner Erfahrung bedeutsam, viele Menschen mitzunehmen. Geschichten leisten das. Spannung verleitet zum Zuhören. Zum Mitfiebern. Zum Selbstdenken. So entstehen offene Geschichten, die nicht von oben diktiert werden, sondern an denen alle Mitarbeiter mitschreiben. Ganz sicher auch die Partner und die Kunden. So entsteht Erfolg.