Storytelling mit Bildern: Manchmal reicht ein einziges Foto, um den Unterschied zu zeigen. Nach dem Tod von Queen Elizabeth II zeigt die Apple-Homepage ein Foto der jungen Queen. Text: In Memoriam. Her Majesty Queen Elizabeth II. 1926 – 2022. Keine weiteren Worte.
Erst einmal überraschend. Ist das Marketing? Wohl weniger. Marketing wäre vielmehr gewesen, wie üblich, die neuen Produkte auf der Homepage zu zeigen, die just auf einer Keynote vorgestellt wurden. Was ist es denn? Das Bild erzählt eine Geschichte, nur welche?
Ein Versuch zu verstehen, wie Apples Storytelling mit Bildern hier funktioniert: Dass das Unternehmen die Queen auf seine Homepage stellt und nicht die neuesten Produkte macht deutlich, wie das Unternehmen tickt. Apple zeigt seinen Respekt. Seine Haltung. Seine Werte. Die sind offenbar anders als bei anderen Unternehmen. Keine Queen auf der Homepage von VW, keine bei Siemens, bei Nike, bei Netflix, SAP usw. Nur bei Apple.
Eine Geste des Respekts mit tiefen Wurzeln
Aber warum die Queen? Ich sehe darin eine Geste mit tiefen Wurzeln. Als Steve Jobs 1997 wieder an der Spitze von Apple war, entwickelte er eine Heldengalerie. Die legendäre Think-Different-Kampagne zeigte die Gesichter von Pablo Picasso, Martha Graham, Albert Einstein, Maria Callas, Martin Luther King, John Lennon und vielen mehr. In schwarzweiß, genau wie nun das Porträt der Queen.
Es waren Menschen, die anders gedacht haben, kreative Menschen, die ihrem Purpose gefolgt sind, ihrer Vision. Menschen, die … Moment einmal, die Queen in dieser Reihe?
Lesen wir noch einmal den Text der Kampagne von damals:
„Here’s to the crazy ones. The misfits, the rebels, the troublemakers, the round pegs in the square holes. The ones who see things differently. They’re not fond of rules. And they have no respect for the status quo. You can quote them, disagree with them, glorify or vilify them. But the only thing you can’t do is ignore them. Because they change things. They push the human race forward. And while some may see them as the crazy ones, we see genius. Because the people who are crazy enough to think they can change the world, are the ones who do.“
Willkommen im Klub der Think-Different-Gemeinde
Queen Elizabeth II in diesem Kontext? Eine Crazy One? Wohl kaum. Die Queen steht doch vielmehr wie kaum eine öffentliche Personen für Disziplin und Kontinuität. Das ist das schöne und zugleich das brisante am Storytelling mit Bildern. Spare ich mir den Text, der das Bild erklärt, erzählt sich jeder vielleicht seine eigene Story. Und für mich sieht ganz klar so aus, als wäre die Queen offiziell von Apple in den Status der Gemeinde der Apple-Heldengalerie aufgenommen.
Es zeigt mir die Queen in einem neuen Licht und ebenso Apple, das ja mittlerweile auch für Disziplin und Kontinuität steht – und zwar ohne viele Worte zu machen. Im Gegenteil: Apple nutzt vielmehr einen Zen-Stil. Reduktion. Wie bei seinen Produkten. Und die Ruhe dieses Fotos auf der schlichten Homepage von Apple hebt sich meines Erachtens angenehm vom Lärm der Medien ab, die sich mit den ewig gleichen Bildern und Geschichten über die Queen überbieten wollen.
Storytelling mit Bildern: 5 Learnings
- Bilder wirken stark …
- … insbesondere in einem Umfeld, in dem wir sie nicht erwarten …
- … doch sie sind sperrangelweit offen für Interpretation.
- Bilder sind idealer Weise eingebettet in einen Kontext …
- … der zumindest implizit klar ist.
Kurzum: Was Apple hier macht ist so genial wie riskant. Eben Apple.