Storytelling im Krieg hat verschiedene Funktionen. Es erklärt, warum ein Krieg geführt wird, aber auch wie der Staat im jeweiligen Krieg operiert.  Hier sind 4 grundlegende Narrative, die immer wieder in Kriegen genutzt werden. Ich fand sie in einer Studie über den War on Terror unter George Bush.

Narrative ver- und entschlüsseln die innere Logik von Kriegen

Narrative, große Erzählungen, die Sinn- und Wertzusammenhänge darstellen, sind schon immer ein Instrument gewesen, die innere Logik von Kriegen zu ent- oder auch verschlüsseln. Seit jeher werden Kriege mithilfe von Erzählungen als gerechte Kriege legitimiert oder als ungerechte Kriege verurteilt. Am Beispiel des War on Terror nach dem 11. September 2001 ist der Auslöser klar. Ähnlich wie nach Pearl Harbour gilt: Die USA wurden angegriffen, nun schlagen sie zurück.

Aber was genau war das denn für ein Krieg? In was für einer Art Kriegszustand befand sich das Land? Die Studie zeigt, dass 4 Narrative zur Deutung zur Verfügung standen. Diese wiederum helfen meiner Meinung nach, ganz generell zu verstehen, in welchen Geschichten wir möglicher Weise gefangen sind, um uns daraus zu befreien und eine neue, vielleicht treffendere Erzählung zu etablieren.

Darüber hinaus könnten wir die Narrative ebenfalls auf das Business in Ausnahmezuständen übertragen. Welche Geschichte erzählen wir dort? Welche Geschichte hören wir dort?

Vier Kriegsnarrative: In welchem Zustand befindet sich der Staat?

Vier Kriegsnarrative: In welchem Zustand befindet sich der Staat?

Storytelling im Krieg: die 4 Narrative im Detail

Das Narrativ vom Garnisonszustand

Hier wird die Gesellschaft vollständig und dauerhaft umgestaltet, um gegenwärtigen Bedrohungen der nationalen Sicherheit zu begegnen. Die Gesellschaft organisiert sich regelrecht um die ständige Bedrohung durch den Krieg herum – sie wird zu einer Art Kriegsmaschine. Diese Form von Storytelling im Krieg findet sich in ihrer extremsten Erscheinungen in George Orwells Roman 1984 und wohl auch im Nordkorea von heute. Es gelten Sätze wie:

● Jede Entscheidung, die wir treffen – als Bürger, als Geschäftsleute, als Verbraucher – sollte mit der Frage beginnen: Wie wird sich mein Handeln oder Nichthandeln auf die Kriegsanstrengungen auswirken?

● Nach 9/11 wird nichts mehr so sein wie vorher. Dieser Krieg wird nicht in einem Monat oder einem Jahr oder gar einem Jahrzehnt gewonnen werden. Ich bin bereit, meine Lebensweise dauerhaft zu ändern, um den Krieg gegen den Terror zu unterstützen.

Das Narrativ vom vorübergehenden Zustand

Hier zeigt sich die Überzeugung, dass Maßnahmen während des Krieges notwendig, aber kurzfristig sind. Die Doktrin, die gilt, ist diese: „In Zeiten des Krieges sind die Gesetze stumm.“ Öffentliches Schweigen und Verstöße gegen die bürgerlichen Freiheiten werden akzeptiert, weil der Zustand ja nur vorübergehend ist. Man glaubt, je schneller der Krieg gewonnen ist, desto eher kehrt das Leben zur Normalität zurück. Es gelten Sätze wie:

● Ich beschwere mich nicht, weil ich weiß, dass alle Kriege vorübergehende Opfer und Unannehmlichkeiten mit sich bringen 

Die Verletzung individueller Bürgerrechte ist vertretbar, solange es sich um eine kurzfristige Angelegenheit handelt.

Das Narrativ vom Feind im Inneren

Dieses Narrativ erfordert ein hohes Maß an persönlichem und kulturellem Engagement. Er wird als der „innere Feind“ bezeichnet, um seine Ähnlichkeit mit der antikommunistischen Perspektive zu betonen, die in den späten 1940er Jahren bis Mitte der 1950er Jahre in den USA dominierte (Mc Carthy-Ära). In der DDR war dieses Narrativ ja auch durchaus nicht unbeliebt. Es unterstreicht, dass die Bedrohung für unsere Sicherheit von innerhalb unserer Grenzen ausgeht, und dass wir als gute Bürger gefährliche Personen aufspüren sollen. Der Feind in diesem Krieg könnte sehr wohl unser eigener Nachbar sein. Es gelten Sätze wie:

Da der Feind in diesem Krieg in der Lage ist, sich in unseren Gemeinden zu verstecken, braucht die Regierung mehr Befugnisse, um Abhör- und Überwachungsmaßnahmen einzusetzen.
● Jeder Bürger muss wachsam bleiben und verdächtige Aktivitäten melden.

Das Narrativ von der gläsernen Firewall

In dieser Variante von Storytelling im Krieg gibt es zwei Welten, eine zivile und eine militärische, die gleichzeitig und vor den Augen des jeweils anderen operieren. Diese parallelen Welten sind durch eine rechtliche und organisatorische Firewall getrennt, die sie vor vor dem Zugriff der anderen schützt. In Kriegszeiten erwartet das Militär, dass es ohne politische Einmischung das Sagen hat. Es gelten Sätze wie:

● In diesem Krieg gewinnt der Feind, wenn wir ihm erlauben, unser Leben zu stören.

● Das Militär wird uns beschützen; wir sollten die Experten einfach ihre Arbeit machen lassen.