Videoüberwachung, Neusprech, Fake News – George Orwells Roman 1984 erschien wenige Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges und zeigt uns einen totalitären Überwachungsstaat. Eine zentrale Rolle in dieser Dystopie spielt die Sprache, die verhindern soll, dass das Denken sich eine andere, bessere Welt vorstellt. In diesem Beitrag finden Sie 10 Zitate aus 1984, die mir beim erneuten Lesen besonders aufgefallen sind. Sie zeigen, wie infam die Sprache genutzt wird.
Was passiert im Roman? Die Geschichte wird ständig umgeschrieben. Wahrheit existiert nicht mehr. Das Paradox wird zur Leitidee. Widerstand wird zur Fabel. Krieg zum Alltag. Der Mensch existiert in einer Blase, isoliert, überwacht, kontrolliert, auf Hass getrimmt, zu Spitzeltum erzogen. Das Storytelling konzentriert sich völlig auf Manipulation.
Jenseits von aktuellen politischen Diskussionen ermöglicht dieser Roman, eine schauerliche Welt und deren Machtmechanismen, die bis tief in die Sprache hinein reichen, zu besichtigen, ohne gleich mit dem Finger auf Politiker*innen, Staaten, Gruppierungen, Parteien zu zeigen. 1984 scheint mir insofern ein guter Ausgangspunkt, über unsere Welt zu reden, ohne direkt über unsere Welt zu reden.
Die Zitate sollen Sie inspirieren, das Buch (wieder) zu lesen, so wie ich es gerade getan habe. 1984 ist ein düsteres Buch, keine Frage. Es ist ein Buch ohne Hoffnung. Gerade das macht es so schwer zu lesen. Und vielleicht zwingt es uns gerade daher so sehr zum Widerspruch.
10 Zitate aus 1984:
- „Der große Bruder sieht dich an“ (Parteiplakat) erzählt die Geschichte in nur sechs Worten
- „Krieg bedeutet Frieden. Freiheit ist Sklaverei. Unwissenheit ist Stärke“ (Die 3 Wahlsprüche der Partei)
- „Miniwahr“ heißt das Nachrichtenministerium, „Minipax“ das Kriegsministerium, „Minilieb“ das Ministerium für Gesetz und Ordnung, „Minifluss“ das Ministerium für Rationierung
- Das zentrale Verbrechen ist ein „Gedankenverbrechen“ (alle Überwachung und Selbstüberwachung zielt darauf, diese Art „Verbrechen“ zu verhindern, Kinder z.B. überwachen ihre Eltern und denunzieren sie gegebenenfalls)
- „Zwiedenken“ ist eine der grundlegenden Eigenschaften der Welt von 1984. Es geht um die Gabe, „gleichzeitig zwei widersprüchliche Ansichten zu hegen und beide gelten zu lassen“
- „Schwarzweißdenken“ ist die Fähigkeit zu glauben, „dass schwarz weiß ist, darüber hinaus zu wissen, dass schwarz weiß ist und zu vergessen, dass man jemals das Gegenteil geglaubt hat“
- „Es konnte sehr gut möglich sein, dass buchstäblich jedes Wort in den Geschichtsbüchern, sogar das, was man unbedenklich hinnahm, frei erfunden war“ (Die Idee von Historie als Fälschung im Sinne der Partei, die täglich upgedated wird)
- „Verbrechdenk“ ist die Ein-Wort-Übersetzung eines Passus aus der US-Verfassung, in dem es um die Grundrechte der Bürger geht (Die Neusprache des Roman erlaubt nicht mehr, die hier formulierten Dinge zu sagen, denunziert sie stattdessen)
- „Altdenker unintusfühl Engsoz“ fasst in etwa Folgendes zusammen: „Diejenigen, deren Weltanschauung sich vor der Revolution geformt hat, können die Prinzipien des neuen englischen Sozialismus nicht wirklich von innen heraus verstehen“ (Die Neusprache des Romans zielt auf radikale Verknappung und zugleich auf Verengung der Perspektive)
- „Freiheit ist die Freiheit zu sagen, dass 2+2=4 ist. Sobald das gewährleistet ist, ergibt sich alles andere von selbst“ (Annahme des Protagonisten, der sich gegen den Staat wendet und am Ende scheitert)