Die Zutaten von Storys sind Fakten und Emotionen. Genau diese Mischung macht Storytelling fürs Business interessant, weil Storys im Gegensatz zu reinen Fakten eine Abkürzung darstellen zu Entscheidungen und Handlungen. Diese Geschichte eines medizinischen Falls zeigt Ihnen, warum. Ich fand sie bei Antonio Damasio, dem amerikanischen Professor für Neurowissenschaften, Neurologie und Psychologie.

Elliot, ein Patient von Damasio, hatte eine beneidenswerte Stellung um Leben erworben. Er war ein guter Ehemann und Vater, hatte einen guten Job und war das Vorbild für jüngere Geschwister und Kollegen. Dann bekam Elliot Kopfschmerzen und Konzentrationsschwierigkeiten. Ein Gehirntumor. Der Tumor wurde entfernt. Danach war Elliot nicht mehr der Alte. Er konnte zwar noch klar denken, doch er verhielt sich seltsam.

Er musste gedrängt werden, aufzustehen. Am Arbeitsplatz war er unfähig, sich die Zeit einzuteilen, er verlor übergeordnete Prioritäten aus den Augen und drohte, in Details zu ertrinken. Er wurde entlassen, immer wieder. Dann kam die Scheidung. Und eine Heirat, die niemand verstand. Wieder eine Scheidung. Schließlich der Bankrott.

Emotionen im Storytelling: Ich fühle, also bin ich

Niemand verstand, was mit Elliot passiert war. Er bestand alle Intelligenztests. Ein kluger Mann und zugleich ein hoffnungsloser Fall. Elliot konnte keine Entscheidungen mehr treffen. Er konnte Dinge nicht gewichten, alles war gleich wichtig oder unwichtig. Unmöglich, Schlussfolgerungen zu ziehen. Elliot konnte nicht mehr eigenständig leben.

Sein Patient brachte Antonio Damasio zu der fundamentalen Erkenntnis, die er in dem Satz „Ich fühle, also bin ich“ zusammenfasst. Elliot konnte durch die Gehirnoperation nicht mehr fühlen. Das entdeckte Damasio bei einem Test, in dem er Elliot bewegende Bilder zeigte – Erdbeben, Brände, Verkehrsunfälle.

Elliot empfand nichts. Diese Bilder ließ er wie sein gesamtes Leben in der gleichen neutralen Stimmung an sich vorüberziehen. Keine Trauer, keine Wut, nichts.

Damasio folgerte: Die Fähigkeiten, Emotionen zu empfinden und die Fähigkeit, Entscheidungen zu fällen, sind miteinander verknüpft. Keine Emotionen, keine Entscheidungen. Wer entscheiden will, der muss fühlen. Rein rationale Entscheidungen sind ein Mythos.

Damals, in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts, war das eine starke Aussage. Heute kennen wir diesen Ansatz, Emotionen und Rationalität neu zu bewerten, etwa von dem Nobelpreisträger Daniel Kahnemann.

Emotionen im Storytelling: Die Brücke zwischen Fakten und Entscheidungen schlagen

Welche Schlussfolgerung ergibt sich daraus für Storytelling? Für mich sieht es so aus: Storys schlagen die Brücke zwischen Fakten und Entscheidungen. Denn sie lassen denjenigen, der etwas entscheiden soll, fühlen. Aus den Fakten allein lässt sich keine Entscheidung ableiten, auch wenn viele das noch glauben.

Robert McKee schreibt in seinem Buch Storynomics: „The difference between data and story is this: data lists what happened, story explains how and why it happened. Data compiles facts by quantity and frequency. Story reveals the causality behind and beneath these facts. Story eliminates irrelevancies, concentrates on dynamic change and then reshapes factual subject matter into a structure that links events into chains of cause and effect, played out over time.“

Das gilt meiner Meinung nach auch und gerade für verkürzte Storys – etwa für starke Vergleiche, Analogien oder Metaphern. Auch sie laden Fakten mit Emotionen auf und ermöglichen, ja beeinflussen so unsere Entscheidungen.

Indem Zappos zum Beispiel erklärt, im Kern der Unternehmensphilosophie stehe das WOW, weiß nicht nur jeder, dass es um höchsten Service geht, sondern auch, wie die Emotion dazu aussieht: Eine Frau, ein Mann, ein Kind, die begeistert sind, vielleicht lachen oder einen Luftsprung machen. Die auf jeden Fall wissen, für welches E-Commerce-Unternehmen sie sich auch in Zukunft entscheiden werden, weil ihre Entscheidung auf einem starken Gefühl basiert, herbeigeführt von Emotionen im Storytelling.

P.S. Damasio erzählt ja selbst Storys (wie jeder gute Wissenschaftler), um sein für Laien wie mich nicht ganz einfach zugängliches Modell der somatischen Marker einzuführen. Der Fall Elliot macht das Modell anschaulich, verständlich und verankert es in der Erinnerung. Das Thema berührt MICH. Während mich die faktische Version eher erschreckt, erschlägt, ermüdet.