Bill Gates als Storyteller: So präzise strukturiert er seinen TED Talk. So effizient nutzt er Charts. So klug  erzeugt er Aufmerksamkeit. 10 Learnings aus dem hoch aktuellen Vortrag über die Gefahr eines Virusausbruchs, den der Gründer von Microsoft und der Bill & Melinda Gates Stiftung im März 2015 auf der TED-Konferenz hielt.

Was mich an diesem Vortrag fasziniert, ist seine Exaktheit. Während der durchschnittliche TED-Vortrag rund 15 Minuten dauert, braucht Gates nur die Hälfte der Zeit. Entsteht dadurch Hektik? Nein. Ist der Vortrag flacher? Auch das nicht? Im Gegenteil: Gates zeigt, wie man in kürzester Zeit auf den Punkt kommt, ohne an Anschaulichkeit zu verlieren. Vortrag und Charts ergänzen sich hervorragend.

Was mir fehlt? Es sind drei Dinge. Zum einen die Emotion. Diese Rede ist quasi emotionsfrei, sie spricht die Zuhörer als rationale Wesen an. So nimmt sie sich Chancen, Menschen tiefer zu berühren. Zum anderen fehlen mir ein Wir sowie eine konkrete Vorstellung von dem, was wir jetzt tun können. Das Ende von Gates‘ Vortrag ist zwar hoffnungsvoll, doch zugleich nebulös. Schließlich scheint die Army als Vorbild für ein System der Virenbekämpfung mir zu negativ und zu technokratisch.

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Bill Gates als Storyteller: 10 Learnings

1. Anschaulich sein
Gates fährt beim Betreten der Bühne mit einer Sackkarre eine schwarze Tonne auf die Bühne – jeder fragt sich, was ist das? Die Aufmerksamkeit ist sofort da.

2. Von sich erzählen
Der erste Satz seines Vortrags lautet: „When I was a kid, the desaster we worried about most, was a nuclear war.“ Die Angst vor den nuklearen Krieg erklärt die Tonne, die Lebensmittel enthält für den Katastrophenfall. Gates erzählt, wie die Familie in den Keller gehen vom Inhalt der Tonne leben sollte.

Hier hätte ich mir alles etwas mehr Story gewünscht, um emotional sofort ins Thema zu kommen. Wie fühlte sich das damals an? Und im Fortlauf: Wie fühlt es sich heute an?

3. Von seiner eigenen Story zum Thema kommen
Nach 30 Sekunden ist Gates beim eigentlichen Thema und im Jetzt. Er sagt: „Today the greatest risk of global catastrophe doesn’t look like this, instead it looks like this.“ Der Rahmen ist gesetzt – im Anschluss wird er ihn präzisieren.

4. Bilder komplementär zum Text nutzen
Bevor Gates das Wort Virus erwähnt hat, zeigt er eins. Parallel zum eben erwähnten Satz erscheint im Hintergrund erst das Bild eines Atompilzes (das Katastrophenbild seiner Kindheit) und danach das Bild eines Grippevirus (das Katastrophenbild von heute und morgen). Überhaupt halte ich die Charts für sehr gelungen, auch ihren strukturierenden Charakter. Auf eine dezente Art zeigen sie immer den roten Faden.

„In den Filmen ist es immer ganz anders“

5. Thema und Aussage des Vortrags in einem klaren Statement formulieren
Nach einer Minute weiß jeder im Auditorium exakt, worum es geht. Gates sagt: „If anything kills over 10 million people in the next few decades, it’s most likely to be a highly infectious virus rather than a war. Not missiles, but microbes. Now, part of the reason for this is that we’ve invested a huge amount in nuclear deterrents. But we’ve actually invested very little in a system to stop an epidemic. We’re not ready for the next epidemic.“

Er spricht über das höchste Risiko für uns Menschen, die größte Gefahr – und über ein System, mit dem wir dieser Gefahr begegnen könnten.

6. Beispiele verwenden und die Fakten benennen
Gates zeigt am Beispiel des Ausbruchs von Ebola in Afrika, wie wenig wir auf die Abwehr gefährlicher Viren vorbereitet sind. Er sagt: „The problem was that we didn’t have a system at all.“ Und er skizziert das Bild eines Versagens. Das Ebola-Virus ist in Afrika geblieben forderte 10.000 Todesopfer.

Das zweite Beispiel, das Gates verwendet, ist die Spanische Grippe von 1918, die sich weltweit ausbreitet und 30 Millionen Menschen tötet. Seine Charts zeigen plakativ den Unterschied der Auswirkungen.

„Es gibt keinen Grund zur Panik“

7. Die Bilder in den Köpfen der Zuhörer kennen
Gates spricht die Hollywood-Realität von Virenbekämpfung an, das Publikum lacht, weil es sich in dieser Realität wiedererkennt. „Now, in the movies it’s quite different. There’s a group of handsome epidemiologists ready to go, they move in, they save the day, but that’s just pure Hollywood.“

8. Lösungswege entlang einer Analogie zeigen

In der Mitte seines Vortrags sagt Gates: „But in fact, we can build a really good response system.“ Er spricht über Technologie und erklärt, dass bislang allerdings das System fehle, das alles organisiere. Seine Analogie dafür ist die Vorbereitung für den Krieg.

„The best lessons, I think, on how to get prepared are again, what we do for war. For soldiers, we have full-time, waiting to go. We have reserves that can scale us up to large numbers. NATO has a mobile unit that can deploy very rapidly. NATO does a lot of war games to check, are people well trained? Do they understand about fuel and logistics and the same radio frequencies? So they are absolutely ready to go. So those are the kinds of things we need to deal with an epidemic.“

Für mein Gefühl ist das keine gute Analogie. Krieg weckt negative Assoziationen. Warum kein Beispiel aus dem Bereich der Gesundheit? Rotes Kreuz etwa.

„We need to get going“

9. Die Lösung konkretisieren
Gates benennt Schlüsselelemente einer Lösung. Ohne sich auf Details einzulassen, sagt er, die Kosten seien vergleichsweise niedrig zu den Kosten einer weltweiten Epidemie. Es ist eine kühle Betrachtung, als würde man einen Windows-Systemfehler bekämpfen.
10. Einen Call-to-Action formulieren

Gates schließt seinen Vortrag mit einer hoffnungsvollen Aussage über das, was zu tun wäre. Und er schlägt den Bogen zum Anfang des Vortrags: „So I think this should absolutely be a priority. There’s no need to panic. We don’t have to hoard cans of spaghetti or go down into the basement. But we need to get going, because time is not on our side. In fact, if there’s one positive thing that can come out of the Ebola epidemic, it’s that it can serve as an early warning, a wake-up call, to get ready. If we start now, we can be ready for the next epidemic.“

Allerdings scheint mir dieser „Weckruf“ sehr allgemein gehalten. Was sollen wir denn tun? Ich weiß es nicht. Ein guter Call to Action sollte hingegen möglichst konkret sein.