Storytelling und Innovation: Wie hängen diese beiden Welten eigentlich zusammen? Mein erster Impuls: Bei Tesla forschen. Dann entschied ich mich, erst einen der großen Storyteller unserer Zeit zu zitieren. Es ist der indisch-britische Schriftsteller Salman Rushdie, Autor der Satanischen Verse. Rushdie sagt, um neue Gedanken denken zu können, muss man sich zuerst von den mächtigen alten Storys befreien.

„Those who do not have power over the story that dominates their lives – the power to retell it, rethink it, deconstruct it, joke about it, and change it as times change – truly are powerless, because they cannot think new thoughts.“

Retell. Rethink. Deconstruct. Joke. Rushdie empfiehlt den spielerischen Umgang mit dominanten Storys, um Neues entstehen zu lassen. Es geht um kreative Zerstörung und Neuschöpfung. Diese mächtigen Storys existieren überall. Es sind Schutzwälle, eng verbunden mit einem gefürchteten Satz.  „… Aber das haben wir schon immer so gemacht.“

Das Auto ist gar nicht so innovativ. Aber die Story! Sie ist Teslas stärkster und wundester Punkt

Storys über erfolgreiche Produkte, die nicht angerührt werden sollen. Gerade dann sollten Produktentwickler mit ihnen spielen. Sie zerlegen, sie anders zusammenbauen. Hören, was Kunden mit ihnen erleben, was sie für Storys erzählen.

Beispiel Tesla. Das Auto ist vielleicht gar nicht so anders, aber die Story ist es. Eine neue Form grüner Mobilität. Komfortabel und sportlich zugleich. Automatisiertes Fahren. Ein Hauch von Science Fiction. Tesla sagt es so: „Tesla ist mehr als ein Autohersteller, nämlich ein Technologie- und Designkonzern, der sich innovativen Energielösungen verschrieben hat.“ Oder noch weiter gefasst: „Tesla steht für eine Mission: Die Beschleunigung des Übergangs zu nachhaltiger Energiegewinnung.“

Storytelling und Innovation ist das Gegenteil von: Aber das haben wir schon immer so gemacht

Die Tesla-Story verführt, die Story ist zugleich auch das Angriffsziel der Gegner. Sie halten ein 100 Jahre altes Narrativ von individualisiertem Fahren und von Freiheit auf Basis ausgereifter Ingenieurskunst dagegen. Jede Ungereimtheit im Energiekonzept, jeder Unfall im Selbstfahrmodus stellt weniger den Tesla als vielmehr die Story in Frage. Das Bild der Zukunft. Das, was Tesla sexy macht. Die Story ist Teslas stärkster und zugleich wundester Punkt.

Sie mögen jetzt vielleicht einwenden: Aber geht es denn wirklich um Storytelling und Innovation und nicht um die Sache? Es geht um beides!

Wer neue Gedanken denken will, muss sich zuerst von den alten Storys befreien

Für manche mag es eine Sache ohne Story geben. Auf einem sehr hohen Expertenlevel ist das möglich. Doch sobald ein komplexes Produkt mit einem breiteren Publikum in Berührung kommt, drängt sich die Story in den Vordergrund. Das gilt auch für eine Strategie oder ein naturwissenschaftliches Modell. Aus der Relativitätstheorie von Albert Einstein wird die Story über Zwillinge auf Reisen. Ein Excel-File wird zum Claim „to crush Adidas“. Aus einem Elektroauto werden Erzählungen über eine neue Ära umweltschonenden, automatisierten Fahrens.

Erst die Story nimmt uns mit auf die Reise. Sie vermittelt den Sinn und die Emotion. Bindet die Innovation in unser Leben ein. Macht neugierig. Weckt Begeisterung. Lässt uns kaufen.

Fazit: Keine Innovation ohne Storytelling.