Geniale Figuren im Storytelling sind lebendig, lassen uns mitfühlen. Ganz gleich, ob wir echte Menschen zeichnen oder erfundene. Meine fünf Tipps für die Charakterisierung gebe ich am Beispiel der Beschreibung von Travis Bickle, der Hauptfigur aus dem Film Taxi Driver von Martin Scorcese.

Hier ist die offizielle Beschreibung:

Travis Bickle, age 26, lean, hard, the consummate loner. On the surface he appears good-looking, even handsome; he has quiet steady look and a disarming smile which flashes from nowhere, lighting up his whole face. But behind that smile, around his dark eyes, in his gaunt cheeks, one can see the ominous stains caused by a life of private fear, emptiness and loneliness.

He seems to have wandered in from a land where it is always cold, a country where the inhabitants seldom speak. The head moves, the expression changes, but the eyes remain ever-fixed, unblinking, piercing empty space. Travis is now drifting in and out of the New York City night life, a dark shadow among darker shadows. Not noticed, no reason to be noticed, Travis is one with his surroundings.

He has the smell of sex about him: Sick sex, repressed sex, lonely sex, but sex nonetheless. He is a raw male force, driving forward; toward what, one cannot tell. Then one looks closer and sees the evitable. The clock sprig cannot be wound continually tighter. As the earth moves toward the sun, Travis Bickle moves toward violence.

Besser lässt sich eine Figur in wenigen Worten kaum beschreiben. Was lernen wir daraus?

5 Tipps für geniale Figuren im Storytelling

  1. Geniale Figuren brauchen klare Eckdaten wie Alter und der Ort, an dem sie lebt (Travis Bickle ist 26 Jahre alt, ist Taxifahrer in New York City).
  2. Sie brauchen die Beschreibung der Oberfläche und der Welt unter der Oberfläche (Travis Bickle zeigt Freundlichkeit und verbirgt Leere).
  3. Geniale Figuren brauchen Details (Travis Bickle hat ein sympathisches Lächeln und einen besonderen Blick).
  4. Sie brauchen eine Beschreibung, wie sie in ihrer Welt erscheinen (Travis Bickle wird nicht wahrgenommen, ist eins mit der Umgebung).
  5. Geniale Figuren brauchen eine dramatische Ahnung (Travis Bickle bewegt sich unweigerlich auf Gewalt zu).

Und Punkt. Wenn es mir gelingt, eine Figur so zu beschreiben, dann erzählt sich ihre Geschichte wie von selbst. Das gilt auch für Geschichten, die wir über uns erzählen! Häufig erzählen wir, gerade im Business, von einem Wandel, den wir durchgemacht haben, doch dieser Wandel bleibt trotz aller erzählerischen Bemühungen äußerlich und somit schwer nachvollziehbar.

Setze ich mich aber vorher mit mir als Figur auseinander und zeichne mich so, dass die Zuhörer oder Leser von Anfang an ahnen, in welche Richtung die Geschichte laufen wird, weil das in mir angelegt ist, erzeuge ich Spannung und so etwas wie Notwendigkeit. Genau wie mit der Beschreibung von Travis Bickle in Taxi Driver schon sehr deutlich wird, dass es zur Explosion kommen wird – ohne zu wissen wann und wie. Doch genau darin liegt ja die Spannung.

Plus: Travis Bickle bekommt über alle das hinaus eine Zeile in den Mund gelegt, die Filmgeschichte schreiben wird – “You talkin’ to me?” Sein Charakter ließe sich ebenso aus diesen vier Worten rekonstruieren. Geniale Figuren haben auch eine eigene Sprache.