Die Storytelling Trends für 2023 lassen sich alle an einem Beispiel erläutern: ChatGPT. Der Erfolg der KI-Lösung zeigt, dass sie alles verstanden haben – in Bezug auf das Produkt selbst, vor allem aber in Bezug auf die Kommunikation.

ChatGPT ist der Prototyp eines Chatbots der auf künstlicher Intelligenz basiert. Den Chatbot entwickelte das US-amerikanische Unternehmen OpenAI, das ihn im November 2022 veröffentlichte. Doch in Wirklichkeit ist ChatGPT viel mehr als ein Chatbot – es ist ein vollwertiger Autor. Und das macht das Produkt so faszinierend.

Was lernen wir von ChatGPT für das erfolgreiche Erzählen von Geschichten?

Hier sind meine 5 Storytelling Trends 2023:

Trend 1: Lass mich spielen!

Jeder, der sich auf der Webseite von OpenAI anmeldet, kann ChatGPT spielerisch nutzen und das Produkt so mit seinen eigenen Interessen verbinden. Ein Freund von mir überlegt, ein kleines Buch über Australian Shepherds zu schreiben. In weniger als 30 Minuten hatte er die Struktur für das Buch und erste Textentwürfe.

Er selbst ist kein Autor. Er würde niemals auf die Idee kommen, allein ein Buch zu schreiben. Und doch möchte er seine Erfahrungen gerne teilen und generelles Wissen über seine Lieblingshunderasse vermitteln. Mit Hilfe von ChatGPT kann er sich problemlos der Sache annehmen.

Learning: Wir laden die Menschen ein, mit unserem Produkt zu spielen, damit sie ihre Storys erzählen können. Von den Storytelling Trends 2023 zielt dieser vor allem auf Inspiration. Und auf Identität, wie der nächste Trend zeigt.

Trend 2: Hilf mir, meine eigene Story zu erzählen!

Im Kern geht es um Identität, um die Frage, wer bin ich und was ist meine Story. ChatGPT nähert sich dieser Frage von zwei Seiten. OpenAI erlaubt mir, mich spielerisch zu entdecken, wie in Trend 1 beschrieben. Ein Buch über Australian Shepherds, Storys für meine Webseite, Headline-Vorschläge für das neue Marketingkonzept – die Software hilft, während wir uns einen Café machen.

Da ist aber noch eine andere Frage, eine, die tiefer geht. Sie zielt auf mein Selbstverständnis: Finde ich es genial, wenn ein KI Chatbot das Storytelling übernimmt oder sehe ich darin den Untergang der Kultur? Hauptgewinn oder narzisstische Kränkung? Hier geht es weniger um praktische Hilfe, sondern um eine Neuverortung dessen, was die Storytellerin oder den Storyteller in mir betrifft.

Learning: Verbinde die Storys, die du erzählen willst, mit dem Selbstverständnis der Leserinnen und Leser. Was bewegt unser Produkt in einem tieferen, gesellschaftlichen Sinne? Diese Dimension gilt es zu erschließen.

Trend 3: Vergiss die Daten!

Es wird immer wieder über Data Driven Storytelling berichtet. Das ist für mich selbstverständlich. Ohne Daten keine Storys, zumindest im Business. Aber wieviele Daten brauche ich, um die Story zu erzählen?

Eigentlich keine, zeigt ChatGPT. Dass wir es mit einem hochkomplexen Produkt zu tun haben, ist bei KI wohl jedem klar. Wollen wir wissen, wie genau es funktioniert? Vielleicht, aber es ist garantiert nicht die erste Frage. Die erste Frage lautet: Was kann die KI denn so?

Und das können wir selbst erleben, nachdem wir uns auf der Webseite von OpenAI ein paar Beispiele angesehen haben. Der Zaubertrick besteht für mich darin, sogar dem komplexesten Produkt eine Leichtigkeit zu geben, es zugänglich zu machen für jedermann.

Learning: Wir kommen nicht an den Daten vorbei, aber über sie hinaus. Am Ende geht es um die Geschichten, in denen wir uns wiederfinden und weniger um die Technologie, die diese ermöglicht.

Trend 4: Halte den Ball flach!

Vielleicht ist die ganze Erzählerei und Influencerei in letzter Zeit etwas übertrieben worden. Man wittert mittlerweile hinter allem, das zu laut und zu dramatisch daherkommt, das Arge. Storys, die wirken, kommen ruhiger, bescheidener, normaler daher. Wie die von ChatGPT.

Das Produkt hat das Potenzial, die Welt auf den Kopf zu stellen, doch es kommt auf leisen Sohlen. Ich bin nur ein Chatbot – nettes Understatement.

Natürlich ist es das nicht. Wie jede bahnbrechende neue technologische Lösung regt ChatGPT die Fantasie an. Im Guten: Jeder kann hochwertige Inhalte erstellen. Genial. Im Schlechten: Wir werden von Fake News überschwemmt werden. Teufelszeug.

Learning: Wir wollen lernen, sagt OpenAI. Wir halten den Ball flach, ihr werft ihn hoch und wir alle sehen, was passiert. Die zentrale Aussage hinter einem der zentralen Storytelling Trends 2023: Wir machen das für euch und mit euch.

Trend 5: Habe Werte, Purpose, Mission!

Ein Produkt wie ChatGPT lässt sich ohne Werte, Purpose und Mission gar nicht denken. Wofür steht OpenAI? Auf der Webseite findet sich folgende Kurzbeschreibung, die meines Erachtens den Kern der Sache gut trifft:

„OpenAI is an AI research and deployment company. Our mission is to ensure that artificial general intelligence benefits all of humanity.“

Für alle, die weiter in die Tiefe gehen wollen, findet sich bei OpenAI eine ausführliche Charta in Englisch und Mandarin. Sie liest sich so:

„OpenAI’s mission is to ensure that artificial general intelligence (AGI)—by which we mean highly autonomous systems that outperform humans at most economically valuable work—benefits all of humanity. We will attempt to directly build safe and beneficial AGI, but will also consider our mission fulfilled if our work aids others to achieve this outcome. To that end, we commit to the following principles:

Broadly Distributed Benefits

  • We commit to use any influence we obtain over AGI’s deployment to ensure it is used for the benefit of all, and to avoid enabling uses of AI or AGI that harm humanity or unduly concentrate power.
  • Our primary fiduciary duty is to humanity. We anticipate needing to marshal substantial resources to fulfill our mission, but will always diligently act to minimize conflicts of interest among our employees and stakeholders that could compromise broad benefit.

Long-Term Safety

  • We are committed to doing the research required to make AGI safe, and to driving the broad adoption of such research across the AI community.
  • We are concerned about late-stage AGI development becoming a competitive race without time for adequate safety precautions. Therefore, if a value-aligned, safety-conscious project comes close to building AGI before we do, we commit to stop competing with and start assisting this project. We will work out specifics in case-by-case agreements, but a typical triggering condition might be “a better-than-even chance of success in the next two years.”

Technical Leadership

  • To be effective at addressing AGI’s impact on society, OpenAI must be on the cutting edge of AI capabilities—policy and safety advocacy alone would be insufficient.
  • We believe that AI will have broad societal impact before AGI, and we’ll strive to lead in those areas that are directly aligned with our mission and expertise.

Cooperative Orientation

  • We will actively cooperate with other research and policy institutions; we seek to create a global community working together to address AGI’s global challenges.
  • We are committed to providing public goods that help society navigate the path to AGI. Today this includes publishing most of our AI research, but we expect that safety and security concerns will reduce our traditional publishing in the future, while increasing the importance of sharing safety, policy, and standards research.“

Braucht jedes Unternehmen so eine Charta? Prinzipiell ja. Wir wollen wissen, wo es steht. Wir kaufen nicht nur ein Produkt oder nehmen einen Service in Anspruch, wir gleichen die Unternehmensidentität mit unserer eigenen ab.

Im Fall von OpenAi scheint mir aufgrund der Radikalität der Innovation wichtig, den Nutzern ein Gefühl dafür zu geben, wie und warum man die Sache angeht. Kleine Fallgeschichten aus dem Bereich Research helfen dort, sich die Sache plastisch vorzustellen.

Learning: Ich halte generell eine Fixierung des Programms eines Unternehmens in klarer, offen zugänglicher, pointierter Form für elementar. Alle Storys finden hier ihren Ursprung, ihre Echtheit und ihre Glaubwürdigkeit. Purpose und Werte werden so zum zentralen Thema.

Übrigens habe ich vor knapp drei Jahren einen Roman veröffentlicht, der sich mit KI beschäftigt. Er heißt: Der Delphi Code. Allerdings wird die KI in einem anderen Bereich angewandt: Es geht um KI und Gefühle, KI und Liebe. Es ist die Geschichte von drei unterschiedlichen Frauen, die eine Partnervermittlung auf Basis künstlicher Intelligenz bauen, sowie deren Schicksalen. Und es geht darum, was passiert mit den Menschen, wenn Sie ihr Leben der KI anvertrauen?