Wie stark die Ich-Perspektive wirkt, zeigt eindrucksvoll der Roman Yellowface von Shooting Star Rebecca F. Kuang. Hier meine Learnings, wie sich diese Perspektive auch im Business Storytelling erfolgreich anwenden lässt.

Viele Romane sind aus der Ich-Perspektive erzählt, doch wenige so intensiv wie Yellowface. Die junge amerikanische Autorin chinesischer Herkunft Rebecca F. Kuang erzählt darin von einer jungen, erfolglosen Autorin, die das Manuskript einer verstorbenen Kollegin stiehlt, es bearbeitet und unter ihrem eigenen Namen veröffentlicht. Der Roman wird – wie alle Romane ihrer Kollegin – zum Bestseller.

Und nun geht die Story eigentlich erst richtig los. Aus der Sicht der Autorin erleben wir ihren Aufstieg mit all seinen Freuden, aber auch ihre Ängste, ihre Lügen, ihre Hysterie, ihren Wahn, ihre Social-Media-Sucht, ihre Auseinandersetzungen mit Kritikern, Familie und immer wieder der Buchbranche.

Wir sind ganz nah dran. Keine Filter. Keine Relativierungen. Und selbst wenn es schwer fällt, die Protagonistin zu mögen, noch schwerer fällt es, das Buch aus der Hand zu legen.

Die radikale Ich-Perspektive erzeugt eine Geisterbahn der Gefühle

Wäre das Buch von außen erzählt, hätte es meiner Meinung nach niemals diese Sogwirkung. Die radikal subjektive Sicht hingegen jagt uns durch eine Geisterbahn der Gefühle. Sie offenbart am Extremfall nicht nur wie die Protagonistin selbst tickt, sondern auch, wie es in der Welt zugeht. Rassismus. Kulturelle Aneignung. Die Fieberwellen von Social Media.

Yellowface wurde übrigens während der Pandemie geschrieben.

Nachdem ich die Hörbuchversion (gelesen von der großartigen Helen Laser) zwei Mal gehört hatte, fragte ich mich: Welche Lektion lernen wir für das Business Storytelling aus Yellowface? Lässt sich überhaupt etwas aus einem Roman wie diesem lernen?

Ich-Perspektive: Meine Learnings aus Yellowface

  1. Die Ich-Perspektive fesselt durch ihre Direktheit und Nähe und lässt uns nicht mehr los
  2. Die Ich-Perspektive öffnet einen Innenraum und macht uns zu Voyeuren
  3. Die Ich-Perspektive ist schonungslos emotional und lässt uns mitfühlen
  4. Die Ich-Perspektive lebt von den Widersprüchen der Figur und macht uns so auf unsere eigenen Widersprüche aufmerksam
  5. Die Ich-Perspektive relativiert generell Positionen und Wahrheiten

Wer also im Business Storytelling diese Perspektive einsetzt, wählt Nähe anstelle von Distanz. Gibt Emotionen Raum. Lässt andere an seinen Denkprozessen und Gefühlen teilhaben. Verabschiedet sich von großen Wahrheiten. Oder lässt diese an kleinen Wahrheiten aufblitzen.

Wie wir ticken: Raum für Nähe, Glaubwürdigkeit und Augenhöhe

Die Welt von Yellowface ist drastisch. Der Roman zeigt am Extrem, was möglich ist. Es geht aber auch kleiner. Michelle und Barack Obama zum Beispiel erlauben immer wieder Einblicke in ihre Gefühlswelten, wenn sie öffentlich sprechen. So erzeugen sie Nähe.

Texte oder Vorträge die zeigen, wie wir abwägen, wie wir mit Entscheidungen ringen, erzeugen eine höhere Glaubwürdigkeit. Das ist bei TED häufig der Fall.

Schließlich können Passagen, die à la Yellowface verfasst sind, Augenhöhe herstellen. Es geht nicht darum, eine allgemeine Wahrheit zu verkünden, sondern zu zeigen, wie wir ticken. So können sich andere erstens ein besseres Bild von uns machen und entscheiden, ob sie uns vertrauen. Zweitens kann diese Art von Erzählung als Einladung zum Dialog verstanden werden: Und wie ist eure Perspektive? Lasst uns reden!