Die 3 Kreise des Sagens sind ein Modell des Storytelling-Gurus Robert McKee. Sie weisen den Weg beim Schreiben, beim Reden und beim Zuhören.

Das Modell geht davon aus, dass sie unter dem Gesagten zwei weitere Schichten befinden, die nicht explizit gesagt werden. Sie machen das, was gesagt wird, eigentlich erst spannend und verleihen diesem tiefere Wahrheit. Es sind das Ungesagte und das Unsagbare.

McKee nutzt dieses Modell, um zu zeigen, wie sich hervorragende Dialoge schreiben lassen. Dialoge, bei denen wir den Figuren an den Lippen hängen. Er schreibt in seinem Buch Dialog: „Ein ausdrucksvoller Dialog bekommt eine Durchlässigkeit, die es Lesern wie Zuschauern ermöglicht, in der Stille hinter den Augen einer Figur die Schatten ihrer Gedanken und Gefühle zu erkennen.“

Autoren müssen dafür die 3 Kreise des Sagens im Auge behalten, zum Beispiel beim Schreiben von Filmdialogen.

Den Vorhang hinter den Worten beiseite ziehen

Für mich sind die 3 Kreise des Sagens viel mehr. Sie sind nicht nur ein Modell für Autoren, sondern sie helfen uns generell zu verstehen, was eine Person sagt. Eine Marke oder ein Unternehmen. Ein Team oder ein Produkt. Natürlich auch das, was wir über uns selbst sagen.

Wir verstehen es vom Ungesagten und Unsagbaren her, wenn wir nur darauf achten. Es geht darum, den Vorhang hinter den Worten beiseite zu ziehen. Oder, um ein Bild von Hemingway zu verwenden: sich den Eisberg nicht nur über Wasser, sondern auch unter Wasser anzusehen, soweit das möglich ist.

Die 3 Kreise des Sagens an einem Beispiel erklärt

Der erste Kreis: das Gesagte

Worte transportieren Ideen und Emotionen.

Beispiel: Der Teufel trägt Prada

Emily Charton (Emily Blunt) sagt zu Andy Sachs (Anne Hathaway): „Ich bin nur noch eine Magengrippe von meinem Wunschgewicht entfernt.“

Das sind die ironisierten Fakten und indirekt auch Gefühle. Entscheidend ist hier die Wortwahl. Nicht: Ich bin nur zwei Kilo von meinem Wunschgewicht entfernt, sondern eben: eine Magengrippe. Die Magengrippe hat etwas Tragikomisches und verweist auf die beiden inneren Kreise.

Der zweite Kreis: das Ungesagte

Gedanken und Gefühle, die wir nur uns selbst sagen.

Beispiel: Der Teufel trägt Prada

Wir können nicht wissen, was Emily denkt, doch es könnte etwa so klingen: Die Welt der Mode, in der ich Karriere machen und deswegen unbedingt an der Seite meiner Chefin nach Paris will, zwingt mich zur Magersucht. Da mir meine Karriere wichtiger ist als meine Gesundheit, nehme ich das auf mich. Und du, Andy, wirst das, wenn dir deine Karriere wichtig ist, auch so machen. Oder: Und du, Andy, scheinst genau das nicht zu tun und damit auch noch Erfolg zu haben – genau das macht dich mir so unsympathisch.

Der dritte Kreis: das Unsagbare

Unbewusste Triebe und Wünsche, die wir nicht vor uns selbst in Worte fassen können.

Beispiel: Der Teufel trägt Prada

Auch hier können wir nur spekulieren. Vielleicht so: Das Ideal der Schönheit ist absolut, ich muss mich ihm unterwerfen, wenn ich etwas sein will. Oder auch so: Das Ideal der Karriere ist absolut, ich muss mich ihm unterwerfen, wenn ich etwas sein will. Oder so: Erfolg setzt Qual voraus.

Das Unsagbare lässt sich auch vom Individuellen lösen und gesellschaftlich ansehen. Als Norm, Gebot etc.

Der Weg durch die 3 Kreise führt von außen nach innen: Airbnb

Die Logik dieses Modell liegt darin, dass es uns hilft, das zu interpretieren, was an der Oberfläche liegt. Wir gehen von außen nach innen. Beim Schreiben funktionieren beide Richtungen. Aber ich würde immer dazu raten, mit dem Authentischen zu beginnen und die Aussagen nicht vom Unsagbaren oder Ungesagten zu konstruieren.

Der Slogan von Airbnb lautet Belong anywhere. Deutsch: Fühl dich überall zu Hause.
Gesagt: Ein Imperativ, der mich freundlich dazu auffordert, mich überall zu Hause zu fühlen. Die Wortkombination ist ungewöhnlich, weil wir üblicherweise davon ausgehen, dass wir uns nur Zuhause zu Hause fühlen.
Ungesagt: Ganz oft ist es nicht so, dass wir uns „anywhere“ zu Hause fühlen, sondern im Gegenteil, wir fühlen uns eben nicht zu Hause.
Unsagbar: Dahinter liegen verschiedene große Themen. Nicht dazuzugehören – draußen vor zu sein, da sein und doch nicht dabei sein. Andersherum gesagt: die Idee, dass wir es nur wollen müssen (und uns Airbnb anvertrauen), dann ist unsere Heimat nicht Hamburg oder Barcelona, Kalifornien oder das Baskenland, sondern die ganze Welt. Eine Stufe weiter: nicht mit einem Gefühl der Angst oder Sorge reisen zu müssen (und sei es die, im Unechten zu landen), sondern mit einem Gefühl, dass die Welt mich trägt, so anders sie auch überall erscheinen mag.

Die Faszination des Gesagten liegt im Ungesagten und Unsagbaren

Durch die Wahl der Worte und Metaphern bekommt das, was wir sagen, eine Durchlässigkeit für die inneren beiden Kreise des Sagens. Wir deuten an. Wir öffnen einen Bedeutungsraum. Was wir nicht tun: Wir sagen direkt und platt, was uns bewegt, sofern wir das überhaupt können.
Robert McKee schreibt: „Nichts vermittelt oder verrät die Persönlichkeit so sehr wie die Wortwahl einer Figur, die Art und Weise, wie sie die Dinge benennt, die in ihr leben.“