Chinesisch zuhören, das erfordert die volle Hinwendung zum Gegenüber. Das chinesische Schriftzeichen für Zuhören im Mandarin ist 聽, tīng. Es zeigt symbolisch, welche Ebenen wichtig sind. Und es macht deutlich, wie anspruchsvoll Zuhören ist, insbesondere in unserer zunehmend auf Senden gepolten Zeit.
Das Schriftzeichen 聽 besteht aus mehreren Teilen. Es ist eine Kombination aus verschiedenen anderen Zeichen und erzählt so eine ganz eigene Geschichte. Sehen wir uns diese Form des Storytellings näher an.
Chinesisch zuhören, das sind die 5 Ebenen:
1. Ebene: Das Ohr
Das Ohr steht für den physischen Aspekt des Hörens. In einfachen Infografiken wird das Ohr allein gezeigt, meist garniert mit einer Andeutung von Schallwellen. Das Mandarin-Zeichen zeigt, dass es damit längst nicht getan ist.
2. Ebene: Der König
Der König symbolisiert die Autorität oder Wichtigkeit. Es geht darum, sich voll auf die Person zu fokussieren, der wir zuhören sowie dem Gehörten unsere volle Aufmerksamkeit zu schenken. Es geht um Respekt.
3. Ebene: Die 10 Augen
Die 10 Augen weisen darauf hin, dass man nicht nur aufmerksam mit dem Ohr zuhören sollte, sondern auch mit den Augen. Klingt seltsam? Aber es ist genau das, was gute Zuhörerinnen und Zuhörer tun: Sie lesen Blicke, Gesten, Körperhaltung, um besser zu verstehen, was mit Worten gesagt wird.
Zuhörer blicken in unserer Kultur ca. 70 Prozent der Zeit eines Gesprächs die Sprecherin oder den Sprecher an. Sprecher blicken dagegen nur ca. 40 Prozent der Gesprächszeit zu ihren Zuhörerinnen und Zuhörern – meist um zu prüfen, ob die andere Person noch zuhört.
4. Ebene: Ungeteilte Aufmerksamkeit
Die ungeteilte Aufmerksamkeit ist elementar. Keine Ablenkung durch Mails und Messages, durch den Versuch, etwas nebenbei zu erledigen. Wir hören ganz bewusst nur zu und halten uns selbst dabei zurück. Allein auf dieser Ebene zuzuhören, erfordert in unserer schnellen und eher auf Sendung gepolten Zeit einiges an Disziplin.
5. Ebene: Das Herz
Das Herz zeigt an, dass wahres Zuhören emphatisches Zuhören ist. Dieses hat verschiedene Aspekte. Hier die wichtigsten:
- Wir sind still, geben der anderen Person Zeit zu reden und nachzudenken
- Wir unterbrechen nicht
- Unser Feedback strahlt Wärme, Wohlwollen und Fürsorge aus
- Wir fragen nach, fassen das Gehörte von Zeit zu Zeit zusammen
- Wir reflektieren nicht nur Inhalte, sondern auch Gefühle, die wir wahrnehmen
Chinesisch zuhören: Was wir damit gewinnen
In wenigen Worten: Wer so zuhört, lässt sich bewusst auf sein Gegenüber ein. Das führt, je nach Konstellation, zu mehr Nähe in einer Freundschaft. Zu mehr Verständnis für das, was Kunden wirklich brauchen, etwa in der Produktentwicklung oder im Sales. Wir gewinnen einen Reichtum von Ideen in Teams. Lösen Konflikte. Sorgen für eine gute, offene Atmosphäre. Leadership ohne dieses Verständnis von Zuhören wird möglicher Weise trumpig.
Ein Tipp: Die nahezu taube Percussionistin Evelyn Glennie zeigt in ihrem TED-Talk noch eine weitere Ebene des Zuhörens – die mit dem ganzen Körper. Sehr inspirierend.
