Werte sind fundamental. Ein Kapitel mit Werten im Sinne von kulturellen Leitlinien gehört ins Text-Portfolio jedes zeitgemäßen Unternehmens. Möglichst so inhaltsdicht formuliert,  dass dem Leser spätestens ab dem dritten Wert der Kopf raucht.

Was haben Werte mit Storytelling zu tun? Sehr viel. Gängige Formulierungen von Werten bringen, davon bin ich überzeugt, gar nichts. Weder so: „Integrität: Wir richten uns stets nach den höchsten Integritätsstandards in Worten und Taten (Deutsche Bank).“ Noch so: „Wir legen auf die Entwicklung unserer Mitarbeiter viel Wert (EON).“

Das geht zum einen Ohr rein und zum anderen wieder raus. Interessiert niemanden, weder intern noch extern. Begeistert niemanden. Lädt nicht dazu ein, zu folgen. Obwohl vielleicht Tausende Mitarbeiter zum Thema Werte befragt wurden. Und obwohl eine Unternehmensberatung gemeinsam mit den Führungskräften alles sondiert und daraus zentrale Werte destilliert hat. Obwohl PR und Marketing dafür gesorgt haben, dass die Mitarbeiter aus Vorträgen, Wandzeitung oder Intranet die Ergebnisse kennen.

Obwohl oder vielleicht gerade deswegen?

Storytelling kann helfen, die Werte eines Unternehmens so zu präsentieren, dass sie haften bleiben. Auch das ist kein einfaches Unterfangen, aber meiner Erfahrung nach der einzige Weg. Es liegt in der Natur der Werte. Denn es gibt keine Werte außerhalb der Personen, die sie vertreten. Alles hängt an ihnen – und ihren Storys.

Ein kleiner Ausflug in die Philosophie, um die Natur von Werten besser zu verstehen. Danach ein Vorschlag, wie man sich diesem Thema nähern könnte. Zum Abschluss ein Blick auf Werte von drei bedeutenden Unternehmen: Siemens, VW und Amazon.

Zur Philosophie der Werte

Der Autor Ulrich Wickert sagt: „Werte lassen sich weder stehlen noch übertragen, noch kreditieren. Und Lebenssinn und Gemeinschaftsverpflichtung lassen sich nicht einfach verordnen.“ Man denke nur an die guten Absichten, die zu Neujahr gefasst werden. Wird doch nichts.

Der Philosoph Hans Joas sagt: „Ich glaube nicht, dass es wahr ist, dass wir unsere Werte wählen. Wir wählen auf der Grundlage von Werten … Werte bringen mich überhaupt erst auf die Idee, bestimmte Sachen zu tun, indem ich z.B. ein intensives personales Vorbild habe, an dem ich mich orientiere, und dadurch überhaupt erst auf die Idee komme, über mein bisheriges Ich irgendwie hinauszuwachsen.“

Werte sind, laut Joas, weder Normen noch Wünsche. Sie sind im Gegenteil „stark emotional besetzte Vorstellungen darüber, was eigentlich wahrhaftig des Wünschens wert ist.“

Was leitet sich daraus ab? Was nützen diese Erkenntnisse Unternehmen?

Zur Vermittlung der Werte

  1. Wertevermittlung ist an Personen geknüpft
    Joas schreibt: „Es ist ganz wichtig, dass es Personen gibt, die für eine Überzeugung einstehen und nicht nur davon reden.“ Viel entscheidender als das, was die Führungskräfte eines Unternehmens sagen oder schreiben, viel wichtiger als die Werte, die sie aufgeschrieben haben, ist das, was sie tatsächlich tun. Es geht um Vorbilder.
  2. Wertevermittlung ist an den äußeren Rahmen geknüpft
    Wie ist das Firmengebäude beschaffen? Gibt es Türen? Sind sie offen oder geschlossen? Wie kleiden sich die Führungskräfte? Fahren sie Firmenwagen oder Fahrrad? Gilt das Du oder das Sie? Wie viele Hierarchiestufen gibt es? Kann der Trainee mit dem Vorstand sprechen, wenn er will oder nur mit seinem direkten Chef? All das erzählt eine Geschichte – ganz gleich, was auf den Wertetafeln steht.
  3. Wertevermittlung ist an Erfahrungen geknüpft
    Gibt es keinen Bezug zu Erfahrungen, die von Mitarbeitern einer Firma gemacht wurden oder gemacht werden können, sind die Werte leer. Gibt es einen Bezug zu Erfahrungen, die das Gegenteil besagen wie die Werte, dann wird das Thema zur peinlichen Lachnummer und von niemandem ernst genommen.
  4. Wertevermittlung ist nur so gut wie die Werte selbst
    Wenn die Werte nicht passen, dann werden sie nie angenommen werden. Wie 1-3 gezeigt haben, ist es schon schwierig genug, Werte zu vermitteln und durch ein paar schöne Sätze in der Mitarbeiterversammlung oder auf der Firmenhomepage ist noch gar nichts gewonnen.

Zum Storytelling der Werte

Von vorne führen, nicht von hinten drücken – das ist zentral. Wer Werte ins Unternehmen bringen will, der bringt sie als Vorbild. Die geschliffenen Bullet Points mit Werten sind nur Beiwerk. Storytelling ist ein Hilfsmittel, das die Authentizität der Werte unterstreicht.

Alle Menschen haben Werte. Woher kommen sie? Joas sagt, sie entstehen, wenn wir von etwas berührt werden, das in uns ein intensives Gefühl von Freiheit auslöst und hinterlässt. Sie machen nicht unfrei, obwohl sie uns einschränken. Sie geben uns Sicherheit. Auf die Verletzung von Werten, z.B. Gerechtigkeit, reagieren wir empört. Weil wir nicht anders können.

Storys kommen ins Spiel, wenn es darum geht, diese Momente zu erzählen und Geschichten zu finden, die erklären, woher die Unternehmenswerte kommen. Die den Werten eine persönliche Dimension geben. Denn sonst bleiben sie hohl, wirken beliebig austauschbar. Kein Wunder, wenn niemand Lust hat, sich mit ihnen zu befassen, kein Mitarbeiter, kein Partner, kein Kunde.

Erst Storys machen Werte einzigartig und sorgen dafür, dass sie zum Unternehmen und seinen Mitarbeitern passen wie ein gut geschnittener Anzug. Dazu gleich ein Beispiel. Davor zwei Beispiele, die ich eher schwierig finde.

Fragezeichen: VW und Siemens

Auf der Webseite von VW fand ich folgende Sätze – wohl gemerkt nach dem Abgasskandal bzw. mittendrin.

„Nachhaltigkeit. Verantwortung für Umwelt und Mensch. Menschenrechte, Arbeitsnormen, Umweltschutz: Nachhaltigkeit hat viele Facetten. Als Global Player übernimmt Volkswagen Verantwortung für Mensch, Umwelt und Gesellschaft. Damit leisten wir einen wesentlichen Beitrag zu einer lebenswerteren Welt – heute und für künftige Generationen.“

Werte ermöglichen Zugehörigkeit und Vertrauen. Ob das so klappt?

Warum steht das so auf der Unternehmenswebsite? Vielleicht weil es ja nur Worte sind, weil keinem was Besseres eingefallen ist, weil das nun auch nichts mehr kaputt machen kann.

Auf der Webseite von Siemens lese ich: „Innovative Konzepte und visionäre Ideen, gepaart mit der unternehmerischen Weitsicht, auch Risiken einzugehen, um dauerhaft erfolgreich zu sein – diese Einstellung unseres Firmengründers Werner von Siemens hat uns zu einem erfolgreichen internationalen Anbieter von zukunftsweisenden Spitzentechnologien gemacht. Werner von Siemens war zu seiner Zeit ein Pionier auf dem Gebiet der Elektrotechnik. Und unser Unternehmen ist in diesem Geist groß und erfolgreich geworden. Diesen Weg gehen wir konsequent weiter. Damals wie heute gehört hierzu ein starkes Fundament, eine Basis, auf der wir aufbauen können. Unsere Werte, Nachhaltigkeit als leitendes Prinzip und unser Anspruch, überall auf der Welt führende Markt- und Technologiepositionen einzunehmen, zeichnen es aus …“

Was mir daran gefällt, ist die Anbindung an den Geist des Gründers. Was fehlt, ist die Story. Ich habe den Text verkürzt. Es geht noch ein bisschen so weiter. Hölzern. Bürokratisch. Umständlich. Hätte Werner von Siemens das so verschwurbelt formuliert? Ist das Gründerdeutsch?

Ausrufezeichen: Amazon

Bei Amazon finde ich stattliche 14 principles, angeführt von „Customer Centricity“. Überlänge. Aber die Prinzipien sind pointiert formuliert.

Viel wichtiger: Es gibt im Unternehmen und in der Presse Storys dazu, und sie werden immer wieder erzählt, sodass man sie in der Firma und auch unter den Kunden kennt.

Beispiel „Frugality“, Sparsamkeit. Das Storytelling geht so: Bezos‘ Schreibtisch ist eine alte Tür auf zwei Böcken.

Woher kommt das? Bezos startete Amazon in seiner Garage. Stellte einen Ofen hinein, zauberte Schreibtische aus Türen und erkannte: Was auch immer die Menschen in zehn Jahren kaufen werden, sie werden dort kaufen, wo der Preis am niedrigsten (Sparsamkeit), die Auswahl am größten und der Service am besten ist.

Wer war das Werte-Vorbild? Bezos‘ Großvater. „Er war Rancher. Ich verbrachte alle Sommer bei ihm. Die Ranch lag zwischen Colorado and Texas. Es gab nichts, nicht mal einen Notarzt. Und wie das so ist auf dem Land: Wenn was kaputtgeht, musst du dich selbst drum kümmern. Wir reparierten den Traktor, reparierten Windräder, so wuchs ich auf: Ich sah, dass du alles selbst machen kannst.“

Erster Teil der Serie: Hier geht es um das Thema Mission.

Zweiter Teil der Serie: Hier geht es um Kunden, Fans, Jünger.

Dritter Teil der Serie: Hier geht es um das Thema Gründung.

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